Die Offizielle Fanfiction-Universität von Mittelerde (OFUM)
von Camilla Sandman, übersetzt von Cúthalion

Kapitel 9
Lauf, Lina, lauf

Es war ein ziemlich stiller Abend. Die meisten hatten genug damit zu tun, Essays zu schreiben, während Thalia und Lotus verschwörerisch in einer Ecke zusammenhockten und Cass über ihre Schulter schielte. Höchstwahrscheinlich ging es um Aragorns Unterricht später in dieser Woche.

Lina seufzte und beschloss, einen Spaziergang zu machen. Sie fühlte sich müde – wer hatte auch ahnen können, dass man an einer Universität so viel studieren musste?

„Ich nehme dein Böser Plan-Essay mit zum Sammelkasten.“ bot Dot an, als Lina an ihr vorbeilief. „Ich bin gerade mit meinem fertig geworden.“

„Ja, dankeschön.“ erwiderte Lina.

Abwesend trottete sie durch die Flure, wobei sie sorgfältig dem enormen Krater auswich, den der letzte „Ich bin böser als du“-Wettbewerb zwischen Sauron und Morgoth hinterlassen hatte. Sie kam an den Pippin-Zicken vorbei, die an einer neuen Pfeifenkraut-Sorte arbeiteten und ging hinaus an die frische Luft. Eigentlich war Mittelerde wunderschön. Sie hatte das früher nie wirklich bemerkt – es sah jetzt so wirklich aus. Zum Donnerwetter – es war wirklich.

Oder vielleicht hatte sie eine gigantische Wahnvorstellung, komplett mit Gerüchen und Geräuschen. Sie wünschte nur, sie würde sich nicht so viele Schmerzen einbilden. Oder die Ohnmachtsanfälle. Oder den Teil, wo sie sich an Gimli heranschmiss.

Sie ließ sich in das Gras fallen und starrte auf zum Himmel. Komisch, dass die Sterne ganz anders waren als daheim. Nichts war wie daheim. Es war frisch hier, und wunderschön, und es gab Zauberei...

Sie war fast eingeschlafen, als ein entsetzlicher, fürchterlicher Gedanke sie überfiel.

„Der Essay! Scheiße!“

Sie hatte den Essay für Saurons Unterricht nicht gemacht! Alles was sie hatte, war eine Liste möglicher Elbennamen, der auf dem Essay-Bogen geschrieben stand. Sauron würde sie zum Frühstück braten. Er würde dafür sorgen, dass ihr lange, spitze Nägel wuchsen. Er würde sie durchfallen lassen.

„Scheißescheißescheiße!“ rief sie aus, kam auf die Beine und spurtete los. Sie musste Dot abfangen, bevor das Essay abgegeben würde! Ihr Füße fühlten sich an, als hätten sie Flügel, und sie rannte und rannte...

...und rannte im Flur in Dot hinein, die nichts bei sich trug, das auch nur entfernt nach einem Essay aussah.

„Das Essay!“

„Es ist im Sammelkasten. Ich habe ihn gerade...“

Lina stürmte weiter, ohne auf den Rest der Antwort zu achten. Der Sammelkasten war in dem Flur gleich neben der Lehrkörper-Abteilung, ganz an anderen Ende der Universität. Die Furcht verlieh ihr eine zusätzliche Geschwindigkeit, sie rannte, wie sie noch nie im Leben gerannt war, und sie kam um die Ecke...

... nur, um herauszufinden, dass der Sammelkasten leer war.

„Oh Scheiße…”

Vielleicht konnte sie hingehen und mit ihm reden. Er war ein vernünftiger... Dunkler Herrscher, oder nicht? Er würde es verstehen – wenn er gute Laune hatte, würde er vielleicht... Das Problem war nur, dass sie sich nicht erinnern konnte, ihn je in guter Laune erlebt zu haben. Vielleicht konnte sie an sein...hmmm... Mitgefühl appellieren?

Vorsichtig näherte sie sich der Lehrkörper-Abteilung, die vom Rest der Universität durch ein gingantisches schwarzes Tor abgetrennt wurde, das über und über mit Schildern mit der Aufschrift „Treten Sie ein mit dem Risiko, Miss Cams Zorn zu erregen“ und „Nur Lehrer – keine Ausnahmen“ gepflastert war. Die Mini-Balrogs starten Lina hungrig an, während sie die Hand nach der Türklingel ausstreckte – und einen Atemzug, bevor sie läuten konnte, zu Eis gefror. Ein lautes Türknallen kam ganz aus der Nähe.

„MORGOTH!“ Das Gebell von Saurons Stimme drang durch die Tür und brachte sie mit ihrer Macht zum Quietschen.

„SAURON!“ kam eine ebenso erboste Antwort.

„Du hast meine sämtlichen Sachen urpurn* werden lassen!“

„Nein, du hast all meine Sachen urpurn gemacht!“

Eine lange, berechnende Stille folgte.

„Jemand hat uns einen Streich gespielt,“ sagte die leise, wütende Stimme von Morgoth endlich. „Jemand hat es gewagt, uns einen Streich zu spielen. UNS! Wie kann man von mir erwarten, gemein und bedrohlich auszusehen, wenn jemand meine Unterhosen urpurn eingefärbt hat?“

„Mein Lieblingshelm ist urpurn!“ jammerte Sauron. „Wenn ich einen Studenten auch nur in der Nähe der Lehrkörper-Abteilung finde, werde ich...“

„Werden wir.“ unterbrach Morgoth.

„Werden wir.“ stimmte Sauron grimmig zu.

Lina blieb nicht in der Nähe, um sich anzuhören, was sie tun würden. Sie wirbelte herum und rannte erneut; ihr wurde klar, dass ein Dunkler Herrscher eine Sache war... aber zwei Dunkle Herscher, die sich wütend aus den selben Gründen zusammentaten, eine gänzlich andere.

Sie rannte und rannte, bis sie außer Atem war und ihre Knie sich wie Pudding anfühlten. Sie ließ sich auf den Boden plumpsen, schloss die Augen und versuchte, ihre Beine zu spüren. Wer zum Donnerwetter war dumm genug, einem Dunklen Herrscher einen Streich zu spielen? Es musste jemand aus der Schwesternschaft der Bösen Biester sein. Und Urpur – die schlimmste aller möglichen Farben. Junge, Junge. Sie würden allesamt dafür bezahlen.

„Ich glaube, ich habe in dieser Richtung Schritte gehört.“ hörte sie plötzlich Sauron irgendwo nicht allzu weit entfernt sagen.

Sie kam stolpernd wieder auf die Beine und rannte; ihr wurde klar, dass die meisten auf ihre Zimmer gegangen und dass die Gänge dunkel und leer waren. Wenn Sauron und Morgoth sie fanden – und nur sie – während sie in den Gängen herumwanderte, dann war sie tot. Oder zumindestens würde sie sich wünschen, tot zu sein.

Als sie die Studentenflure erreichte, fühlte sie sich, als wäre sie tatsächlich tot. Sie hatte kaum noch die Kraft, in ihr Zimmer zu robben, brachte ein Nicken in Richtung Dot zustande und fiel ins Bett.

Sie saß furchtbar in der Patsche.



*Die Farbe Urpurn (engl.: Urple) muss man sich wie eine besonders grauenhafte Mischung aus Pink und Purpur vorstellen...


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