Ein wirklich gutes Jahr (Pretty Good Year)
von Mary Borsellino, übersetzt von Cúthalion
Kapitel 21
Träumer
Es gab nur einen einzigen unter Frodos Träumen, der nicht schrecklich war
einen einzigen, der ihm keine heißen, brennenden Tränen in die Augen trieb, die Sam fortküsste, wenn er aufwachte. Einen einzigen, der nicht damit endete, dass Rosie ihn an der Schulter rüttelte und ihn zurückholte von den dunklen Orten, zu denen er im Schlaf gewandert war. Er konnte nicht sagen, wie oft er diesen einen Traum hatte, oder ob er sich jemals änderte.
Es war kein sehr lebhafter Traum, eher verschwommene Eindrücke, vermischt mit Erinnerungen. Erdboden unter seinen Füßen, Hände, die sich bei kindlichen Kletterspielen an Äste klammerten. Seidenraupen, eingesperrt in einer Holzkiste, und beerenfleckige Finger, mit denen er ihre fetten, weißen Leiber berührte.
Frodo! Eine junge Stimme rief ihn, und er versteckte sich im hohen Gras, weil er seine neuen, seltsam exotischen Haustiere mit niemandem teilen wollte. Frodo, Papa sagt, du sollst kommen und dich vor dem Abendessen waschen!
Sein Vater war gestorben, bevor er jemals Geschwister haben konnte. Frodo wusste, dass dieser Traum mehr seiner Vorstellungskraft entsprang als seiner Erinnerung, und dieses eigenartig losgelöste Wissen schien die Szene in zwei Teile zu spalten. Jetzt war er ein Beobachter. Er stand auf unsicheren Beinen im abendlichen Feld, die Augen schwer vom Schlaf, und betrachtete das kleine Hobbitkind, das sich vor seiner Schwester versteckte.
Es war offenbar eine ältere Schwester, das Haar zu losen Zöpfen geflochten und eine Hand auf die Hüfte gestützt. Die andere spielte mit ihrem Haarband, und diese Geste war der von Rosie so ähnlich, dass es ihm unmöglich war, nicht zu lächeln.
Frodo, ich weiß, dass du da bist, du machst mit diesen dämlichen Raupen vom Maulbeerbaum herum! Rose und Merry nehmen dir dein ganzes Brot weg und tropfen alles voll, und Pip und Goldie wollen eine Geschichte. Das Mädchen stampfte wütend auf die Türschwelle. Du bist so blöd!
Nicht so blöd wie du! schoss der Junge zurück und sprang auf die Füße. Du riechst nach Ponykacke, und aussehen tust du wie eine zerquetschte Kröte!
Oooh, dafür krieg ich dich! Sie jagte kichernd hinter ihm her. Ein ganz kleines Mädchen, höchstens ein paar Jahre alt und noch ein bisschen wackelig auf den Beinen, stand jetzt im Eingang. Sie trug eine hübsche, grüne Schürze und einen blauen Hut mit einer farbverschmierten Feder am Rand, der ihr mindestens drei Nummern zu groß war.
Elanorelle, Mama sagt, du hast die Zwiebeln verkochen lassen, und jetzt sind sie ganz eklig.
Oh, Mist! Das ältere Mädchen seufzte und verlangsamte ihre Verfolgungsjagd. Sag ihr, ich komme gleich, Goldig-Goldig-Goldlöckchen, aber zuerst muss ich Frodos Kopf ins Wasserfass tunken.
Davon wird dein Gesicht auch nicht hübscher! Der Junge erklomm eilig einen Baum, der hoch genug war, um sich vor Feinden auf dem Boden in Sicherheit zu bringen. Elanor-die-ganz-schöne-Nervensäge, so sollten dich die Leute nennen!
Der Traum verblasste, als die echte Elanor in ihrer Wiege schrie, und Frodo kam voller Staunen zu sich. Er befreite sich behutsam aus der Umarmung von Sam und Rosie, ging hinüber und hob das Baby vorsichtig hoch. Er hatte sie seit der Nacht, in der er Rosies Kleid zerrissen hatte, nicht mehr im Arm gehalten. In seinem Magen summte ein Bienenschwarm der Furcht, dass sie das nächste Mal, wenn so etwas passierte, vielleicht nicht im Haus von ihrem Onkel und ihrer Tante sein würde.
Warst du das, von der ich geträumt habe, meine Hübsche? fragte er sie leise, während er ihr die Tränen abwischte und mit ihr aus dem Zimmer hinaus zu einem der Fenster ging. Wirst du wirklich so glücklich sein, und so fröhlich? Ich hoffe, das wirst du.
Sie grabschte nach dem Stein um seinen Hals, der anscheinend nie aufhörte, sie zu faszinieren. Frodo zog ihn aus ihrer Reichweite und dachte über Elben und über den Blick in die Zukunft nach.
Bin ich dann auch noch da? Werde ich mich mit euch hinsetzen und euch Geschichten erzählen, oder euch Gedichte vorlesen, wie für Sam, als er noch klein war? Wird Jung-Frodo den, von dem er seinen Namen hat, noch wirklich kennen? Frodo hielt inne. Wird eines deiner Geschwister aussehen wie ich?
Er wollte es nicht riskieren, Rosie irgend ein Leid zuzufügen, und obwohl es keine wirkliche Möglichkeit gab, herauszufinden, wessen Baby sie verloren hatte, fühlte Frodo tief in seinem Herzen, dass es seines gewesen war. Aber selbst mit dieser Gewissheit fiel es ihm schwer, nicht auf die Zukunft zu hoffen.
Es ist eine Sache, die ganze Welt zu retten und allen, die du liebst, viel Freude zu machen. erklärte er Elanor. Trotz allem würde ich dir gerne eine Schwester schenken, Elanorelle. Ich möchte euch beide so gern in dieser geretteten Welt aufwachsen sehen.
Elanor lächelte nur breit zu ihm auf und zerrte an einer seiner Haarlocken.
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