Ein wirklich gutes Jahr (Pretty Good Year)
von Mary Borsellino, übersetzt von Cúthalion
Kapitel 13
Anständig
Als Rosie ankündigte, dass sie ihre Mutter zum Nachmittagstee erwartete, erinnerten sich Sam und Frodo plötzlich an ein ungemein wichtiges Treffen mit Merry und Pippin, das angeblich schon seit einer halben Woche geplant war.
Mir solls recht sein. antwortete Rosie heiter. Ich will euch genauso wenig hier haben, wie ihr da sein wollt. Ich hatte genug Männergesellschaft, dass es für ein ganzes Leben reicht, und ich brauche ein bisschen Weibergeschwätz.
Sie waren allerdings noch nicht gegangen, als Lily Kattun ankam. Sam wässerte das Gemüse und Frodo spielte Kuckuck mit Elanor.
Wo ist das Blumenkind? Da ist sie ja!
Elanor verzog ihr Gesicht vor Entzücken.
Weg mit euch, und sagt Merry und Pippin Hallo von mir. Rosie übernahm Elanor von Frodo und scheuchte ihn zur Tür hinaus.
Hier, ich halte sie. erbot sich Lily, als sie allein waren. Komm zu deiner Großmutter, Kleines.
Elanors Augen weiteten sich vor Verwirrung und pummelige Finger klammerten sich an das Haar ihrer Mutter, als Lily versuchte, sie auf den Arm zu nehmen.
Sie ist ein bisschen misstrauisch bei Leuten, mit denen sie nicht viel zu tun hat. entschuldigte sich Rosie, nahm Elanor zurück und wanderte mit ihr durch die Küche.
Sie würde mich besser kennen, wenn du öfter mal vorbeikämst. Ich habe das Gefühl, ich kriege dich nie zu sehen, Rosie.
Du weißt doch, dass ich nicht oft weg kann, Mama. Es gibt mehr Tage, an denen man sich um Herrn Frodo kümmern muss, als andere. Und diese Hobbithöhle ist nicht gerade der einfachste Ort zum Sauberhalten.
Es ist nicht deine Aufgabe, dich um diesen schrulligen alten Junggesellen zu kümmern. Lily setzt sich an den Tisch und nahm eines der kleinen Törtchen, die Rosie gemacht hatte. Du bist mit Sam verheiratet, nicht mit Frodo.
Was soll das denn heißen? Rosie hielt Elanor einen ihrer Fingerknöchel zum Nuckeln hin, um sie stillzuhalten. Sie stand auf der Tischseite gegenüber von Lily, das Gesicht hart wie Stein.
Das heißt, dass es Gerede gibt. Man sagt, deine Ehe ist nicht anständig.
Rosie schaute hinunter auf das winzige, vollkommene Gesicht ihrer Tochter und lachte bitter.
Du und Papa, wart ihr jemals verliebt? Hast du ihn jemals schlafen sehen und deine Liebe zu ihm tat so weh, dass du am liebsten gleichzeitig gesungen und geweint hättest? Nein, du brauchst nicht zu antworten. Ich weiß, du liebst ihn auf deine Art, denn er hat dir ein gutes Leben und gesunde Kinder geschenkt, aber das war nie das, was ich haben wollte.
Es sind diese Märchen, die ich dir erzählt habe, als du ein Mädchen warst. Sie haben dir Flausen in den Kopf gesetzt.
Als Sam weg war, habe ich drei Heiratsanträge bekommen, von denen ich dir nie erzählt habe weil ich wusste, du hättest mich dazu gebracht, ja zu sagen. Und ein oder zwei dieser Anträge waren von wesentlich reicheren Leuten als von einem Gamdschie aus dem Beutelhaldenweg, aber das hat mich überhaupt nicht gekümmert. Es hat nie etwas Anständigeres gegeben als meine Ehe, und fertig.
Du benutzt nie deinen Verstand, du denkst nie nach, was bei einer Sache herauskommt, bevor du damit anfängst. Lily warf ärgerlich ihre Hände hoch und fegte dabei eine kleine Vase voller Blumen von einem Regal hinter sich. Rose hechtete hinterher und warf eine Platte mit belegten Broten um, aber sie fing die Vase auf, bevor sie auf den Boden fiel.
Vorsicht! Du hättest sie fast zerbrochen. schalt sie ihre Mutter, legte Elanor in den Korb auf den Tisch und stellte die Vase in ein höheres Regal, wo sie nicht mehr heruntergeworfen werden konnte. Ein paar Tropfen waren auf ihre Hand gefallen. Rosie lutschte die honigsüße Flüssigkeit abwesend ab und wandte sich wieder dem Streitgespräch zu.
Du bist kein Zwanziger mehr, Rosie. Ich sage dir diese Dinge, weil ich dir Kummer ersparen möchte. Du bist nicht die Prinzessin in einem Märchen, du musst vernünftig sein.
Rosie dachte an das lose Papierbündel, in das Frodo jeden Tag schrieb. Nein, ich bin nicht die Prinzessin. Ich bin das Glücklich für immer und ewig, fügte sie im Stillen hinzu, aber sie sagte es nicht.
Nachdem sie ihre Mutter bis zum Ende des Weges begleitet hatte, wanderte Rosie am See vorbei hinunter zu dem Feld, wo die Kinder im späten Nachmittagslicht spielten.
Auf dem weißen Zaun an der Straße sitzend, an der selben Stelle, wo sie Jahre mit Tagträumen verbracht hatte, wiegte Rosie Elanor in den Armen, sah den dörflichen Spielen zu und dachte über die Worte ihrer Mutter nach.
Als sie nach Hause kam, war es fast dunkel. Sam und Frodo warteten draußen auf sie. Na ja, Sam wartete jedenfalls; Frodo schlief, den Kopf auf seinen Oberschenkel gebettet. Ihr Mann schenkte ihr ein tröstliches Lächeln, als sie sich mit einem Seufzen neben ihn setzte und dankbar die Pfeife nahm, die er ihr hinhielt.
Sam. sagte Rosie nach einem kurzen Schweigen.Wenn Frodo stärker ist, in ein paar Jahren vielleicht
können wir dann fortgehen? Nicht für immer, für ein Jahr zum Beispiel. Nur wir vier, und die Babys, die wir bis dahin haben. Ich möchte Elanor zeigen, dass es eine Welt jenseits von Hobbingen gibt. Dass dies hier eine Art zu leben ist, dass Große Leute und Elben und Zwerge aber auch ihre ganz eigene Art haben. Danach wird sie wenigstens wissen, was es dort draußen gibt, selbst wenn sie das Auenland für den Rest ihres Lebens nie wieder verlässt
dass sie in jeder Weise leben darf, die sie am glücklichsten macht wie auch immer dass nichts falsch ist an Märchen, und dass es so etwas wie anständig nicht gibt.
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