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Ein wirklich gutes Jahr (Pretty Good Year)
von Mary Borsellino, übersetzt von Cúthalion
Kapitel 9
Abenddämmerung
Hier. Rosie stellte ein hohes Glas mit einer ziemlich undurchsichtigen, braunen Flüssigkeit auf den Nachttisch und gab dem Löffel darin eine letzte Drehung. Das ist Milchdistel, die trinkt man eigentlich, wenn man am Abend davor ein paar Bier zuviel hatte. Aber alles in allem ist ein Kopfschmerz wie der andere, und ich denke, es nützt dir mehr, als dass es schadet. Nichts anderes hat geholfen, vielleicht hilft das.
Sie lächelte, als sie das sagte, aber eine leichte Verzweiflung kräuselte ihre Mundwinkel.
Dankeschön, Rose. Frodo nippte an dem Gebräu und zog ein Gesicht. Wenn der Geschmack endlich nachlässt, dann hat es sicherlich eine erstaunliche Wirkung. Niemand wird sich dieses Zeug antun, ohne dass er sich davon ein Wunder verspricht. Damit entlockte er Rosie ein Lachen, als sie sich neben Frodo auf die Bettkante setzte.
Ich hol dir einen Honigkuchen, wenn du den Rest heruntergebracht hast. Ich hoffe, es verschafft dir ein bisschen Linderung. Sie strich mit der Rückseite ihrer Fingerspitzen an seinem Haaransatz entlang. Ich hasse es, diesen Schmerz in deinem Gesicht zu sehen.
Es tut mir leid; ich weiß, du wolltest, dass wir heute alle auf den Markt gehen.
Der Markt kann warten, der ist auch noch da, wenn du dich besser fühlst. Ich wünschte, ich wüsste, wie ich dich heilen kann. Ich fürchte, da ist irgendeine Entzündung tief in deinen Narben, und ich habe keine Ahnung, wie ich die herausziehen soll.
Ich glaube nicht, dass es einen Weg gibt.
Oh, fang ja nicht wieder an mit diesem Geschwätz! Die halbe Schlacht ums Heilwerden wird in deinem Kopf geschlagen, und wenn du jetzt aufgibst
nun, Sam und ich sind dermaßen gesunde Hobbits, wir werden wahrscheinlich fast ewig leben. Und dann müsstest du in diesem Elbenland aus deinen Büchern lange Jahre ohne Gesellschaft aushalten, bis wir sterben und zu dir kommen.
Ich könnte die Zeit nutzen, um stricken zu lernen. Frodo nahm noch einen schnellen Schluck von der sauren Flüssigkeit. Sie hatte überhaupt keine Wirkung auf seinen Kopf. Oder Harfe spielen.
Da erscheints mir vernünftiger, dazubleiben und ein Rudel niedlicher Winzlinge aufzuziehen, damit man sich anschließend gemeinsam zur Ruhe legen kann. Du verwöhnst Elanor doppelt so sehr wie Sam oder ich, und du kannst nicht gehen und ihr das kaputtmachen. Ihr Ton blieb leicht, aber ihre Hand lag auf seiner Schulter, als wäre sie stark genug, ihn mit allen Mitteln in der Wirklichkeit festzuhalten.
Elanorelle braucht mich nicht, sie hat die beste Mutter und den besten Vater, die das Auenland je gesehen hat.
Und wenn du deine Mutter und deinen Vater gehabt hättest, hätte dir Bilbo dann wirklich gar nichts mehr bedeutet? Rosie hob eine Augenbraue. Komm schon, raus in den Sonnenschein mit dir, die beste Kur gegen Kopfschmerzen, die ich kenne.
Das ist lächerlich. Trotz seiner Qualen konnte Frodo sich ein Grinsen nicht verkneifen. Licht ist überhaupt nicht gut gegen Kopfschmerzen.
Es ist sowieso schon Abend, die Sonne ist fast weg. Ich hol dir keinen Honigkuchen, wenn du nicht aus diesem Bett kommst.
Das ist Bestechung und Erpressung, und das halte ich nicht aus! lachte Frodo. Also gut, hilf mir hoch.
Die sinkende Sonne übergoss die Welt mit tiefgoldenem Licht, schwer und warm wie ein Kuss. Sam versäuberte die Ränder des vorderen Weges; ein Schmutzfleck prangte auf seiner Wange. Er schaute auf und strahlte, als Rosie die Tür aufzog und Frodo hinausdrängte.
Da, schau! War dieser Ausblick es nicht wert, dich aufzuraffen?
Ja, das ist herrlich. Es ist so wunderschön. Frodo nickte, und Rosies Herz tat weh vor lauter Sehnsucht danach, dass es ihm endlich wieder gut ging. Ein Schwarm lärmender Vögel flog über ihre Köpfe und zerbrach die friedvolle Ruhe des Augenblicks. Rosie war nicht ganz und gar unglücklich darüber: in letzter Zeit war es viel zu einfach, traurig und schweigsam zu sein.
Gehen wir denn nun heute abend auf den Markt? fragte Sam, wischte sich den Schweiß von den Augenbrauen und hinterließ eine weitere Schmutzspur.
Morgen vielleicht, Sam. schlug Frodo vor. Rosie war sich nicht sicher, ob er es ernst meinte oder nicht. Dann haben wir den fünfundzwanzigsten und Elanor ist vier Monate alt. Wir können sie in ihr hübschestes Kleid stecken und die anderen Babys mit ihrer Schönheit eifersüchtig machen.
Das wird sie mögen. Sie liebt es, wenn man sie herausputzt. Sams Lächeln beim Gedanken an seine Tochter war fast noch hinreißender anzusehen als der Sonnenuntergang... in einer Welt, die scheinbar so leicht zerstört werden konnte.
Lasst uns nach hinten gehen. Rosies Stimme klang brüchig, als hätte sie die Tränen, die sie schon den ganzen Tag über zurückdrängte, schließlich doch noch geweint. Wir sollten eine Weile an der frischen Luft bleiben.
Frodo lehnte sich mit dem Rücken gegen einen kleinen Grashügel. Rosie fühlte seinen Blick auf ihrer Haut brennen, als Sam die Miederbänder ihres Kleides löste und die weichen Musselinärmel über ihre Schultern hinunterstreifte. Außer in seinen Augen schien kaum Leben in Frodo zu sein. Aber als sie anfing, Sam auszuziehen, flutete ein wenig Farbe in seine blassen Lippen zurück und seine Brust hob und senkte sich mit schnellen, flachen Atemzügen.
Sie konnten ihn wieder lebendig machen. Sie würden ihn wieder lebendig machen. Wenn sein Herz aufhörte zu schlagen, würden sie ihm ihre Herzen schenken. Wenn sein Atem stillstand, würden sie ihm mit ihren Küssen Luft einhauchen. Rosie versprach sich selbst, dass ihre Liebe mächtig genug sei, jedes Leiden zu bekämpfen.
Und bei Rose Gamdschie wurden Versprechen niemals zurückgenommen.
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