Ein wirklich gutes Jahr (Pretty Good Year)
von Mary Borsellino, übersetzt von Cúthalion
Kapitel 7
Ganz einfach
Es gab zwei Arten von Leuten, entschied Rosie. Es gab die, die mit den Türen knallten, wenn sie wütend waren, und diejenigen, die die Türen ganz sachte zumachten, mit einem leisen Klicken, während der Riegel einschnappte. Die zweite Sorte war die schlimmere. Sam hatte immer zur zweiten Sorte gehört, und Rosie war nicht völlig davon überzeugt, dass dies der richtige Weg war, mit solchen Dingen umzugehen. Wenn es in einem Zimmer keinen Abzug gab für den Rauch, dann wurde nur alles schmutzig und man bekam keine Luft mehr.
Als sie nun ihren Hut in der Halle aufhängte und sich die zerzausten Haare mit den Fingern kämmte, ließ das leise Schließen der Tür am anderen Ende sie seufzen und die Augen gen Himmel rollen. Was für eine wundervolle Art, einen Abend anzufangen; mit der einen oder anderen Tragödie. Noch dazu nach einem so schönen Tag.
Rosie? Wo ist Elanor? fragte Sam und kam zu ihr herüber, um sie zur Begrüßung zu umarmen.
Tom und Marigold haben sie für heute nacht genommen. Sie haben sich wieder mal wegen Kindern in den Haaren, und sie wollten sich eins ausleihen, um Argumente zu haben. Rosie erwiderte seine Umarmung. Entweder du hast geweint, Sam, oder wir kriegen Zwiebelkuchen, Zwiebelsuppe und obendrein Zwiebelsalat zum Abendessen.
Er nickte und holte zittrig Atem. Ich weiß, es bringt nichts, aber ich wünschte, es gäbe mehr, was man für ihn tun könnte. Er kam mir heute morgen so aufgeheitert vor, aber jetzt ist er wieder ganz kalt und schwach. Als ich versucht habe, ihn da rauszuholen, damit er sich zum Lesen in die Sonne setzt, sagte er, dass sie seinen Augen wehtut. Aber wenn er nie an die Luft kommt, wie soll es ihm dann je wieder gut gehen?
Ich glaube, es ist nicht ganz so einfach, Sam. sagte Rosie traurig, zog die Kurve seiner Augenbrauen mit dem Daumen nach und strich sein Haar glatt.
Wieso? Wieso kann es das nicht sein? Ich begreif das einfach nicht. Er fing wieder an zu weinen. Ich habe ihn einen Berg hinaufgetragen, und jetzt schaffe ich es nicht mal, ihn aus seinem Zimmer zu kriegen.
Aber sicher schaffst du das. Was willst du denn auch sonst machen? Das hier ist schlimmer als der Berg, und das weißt du. Damals bist du bei ihm geblieben, und du wirst auch jetzt nicht aufgeben, nur weil du keine Ahnung hast, was der richtige Weg ist. Sie gab ihm einen Klaps auf die Schulter. Kopf hoch! Ihr Gamdschies seid aus einem besseren Holz geschnitzt. Ich würde dich nicht als Vater meiner Kinder wollen, wenn du nichts anderes zustande brächtest als Jammern und Klagen.
Du bist mein Rückgrat, Rosie.
Oh, das weiß ich. Schön, dass es dir auffällt. Also, willst du einen Bissen essen?
Sam schüttelte seinen Kopf gegen ihre Handfläche. Nein, ich gehe eine Runde spazieren. Ich muss weg von dieser Grübelei.
Alles klar. Ich wärm dir was auf, wenn du wiederkommst. Rosie nickte. Und Sam?
Ja?
Ich liebe dich. Jeden Tag ein bisschen mehr, falls das überhaupt geht.
Ich liebe dich auch, Rosieweib.
Als er gegangen war, setzte sich Rosie an den Küchentisch, stützte den Kopf auf die Hände und rieb einen beginnenden Kopfschmerz weg. Sie liebte es, Mutter zu sein, aber bis jetzt hatte sie nur ein Kind und spürte doch jeden Tag mehr, dass es in Wahrheit eigentlich drei waren. Sam sorgte sich so sehr um Herrn Frodo, dass er sie in letzter Zeit kaum noch berührte, und Rosie fand das nicht in Ordnung. Denn Mutter und Ehefrau waren Worte, die zusammengehörten, und im Augenblick kam sie nur halb zu ihrem Recht.
Alles war so verworren. Sie empfand für Frodo wie für einen Bruder und einen Sohn und einen Geliebten, alles gleichzeitig. Sam hingegen war ihr Ehemann, ihr bester Freund und der Vater ihres Kindes, und beide, Sam wie Frodo, blieben gemeinsam in einer Vergangenheit gefangen, die nicht enden wollte. Sam hatte recht, wenn er sich wünschte, alles könnte einfacher sein, wenigstens ein einziges Mal.
Rosie schob ihren Stuhl zurück und nickte sich selbst zu; die Entscheidung war gefallen. Sie hielt diese Vergangenheit für einen öden, freudlosen Ort, aber die Zukunft konnten sie alle gemeinsam formen und gestalten, und sie würde es nicht zulassen, dass noch mehr Zeit mit Schwermut vertrödelt wurde.
Frodo war im Bett; er las nicht, er schlief nicht und versuchte auch nicht zu schreiben. Er starrte nur auf seine geschundenen Hände hinunter, unablässig die Finger beugend und streckend. Rosie setzte sich neben ihn und nahm seine Hände in ihre eigenen.
Du darfst nicht zulassen, dass die finsteren Gedanken dich so sehr heimsuchen. sagte sie, die feinen Linien auf seinem Handgelenk liebkosend. Denn wenn sie dir wehtun, dann tun sie Sam auch weh, und mir obendrein, und ich weiß, dass du das nicht möchtest.
Ich kann mir nicht aussuchen, ob ich mich erinnern will.seufzte Frodo und seine Fingerspitzen streichelten über ihre Daumenkuppe. So einfach ist das nicht.
Ist es doch. flüsterte Rosie gegen seine Wange, und dann, bevor er antworten konnte, küsste sie ihn auf den Mund. Frodo gab einen kleinen, überraschten Laut von sich. Rosie bezweifelte, dass er in seinem Leben je eine zärtliche Berührung gekannt hatte außer der von Sam. Mit ihr, Rosie, war er längst nicht so vertraut, aber das war wichtig und gut. Er musste wieder lernen, Dinge zu tun, die er unbehaglich fand, wie das Haus zu verlassen und über Witze zu lachen. Ihre Hand strich seinen Oberschenkel hinauf, und sie wünschte sich, die Muskeln, die sie ertastete, wären stärker und fester.
Du musst mir was versprechen. sagte sie, knabberte mit den Zähnen an seinem Ohrläppchen und half seiner Hand, ihren Rock hochzuschieben. Komm öfter nach draußen. Es gibt massenhaft Kinder in der Gegend, die noch nie eine Heldengeschichte gehört haben, und Bilbos wundersame Erzählungen haben sie auch nie kennen gelernt. Du musst mir versprechen, dass du dich einen ganzen Morgen über mit ihnen in die Felder setzt und ihnen von deinen Abenteuern erzählst. Wenn du das nicht tust, steige ich auf der Stelle raus aus diesem Bett und fange an, zu backen was auch immer.
Ich
Frodos Atem stockte, als seine Hand unter ihren Unterrock schlüpfte. Ich versprechs.
Rosie lächelte gegen seine Haut. Wusste ichs doch.
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