Das Vermächtnis (The Legacy)
von Anglachel, übersetzt von Cúthalion

7. Kapitel
Der Schatz

Nachmittags am Meerstag, dem 15. Tag im Halimath

Bilbo schlürfte seinen Branntwein und verschaffte sich einen Überblick über die Teetafel, die auf einem niedrigen Tisch in Rorys Studierzimmer gedeckt war. Eines der Küchenmädchen hatte alles vor ein paar Minuten gebracht, und er hatte mit ihr geschäkert, sie geneckt, und sie mit einem Zwicken in die Wange und Komplimenten für Maddie weg geschickt.

Gestern hatten er und Frodo den meisten Tag auf Schmetterlingsjagd verbracht; sie waren systematisch das Leinenzeug durchgegangen, das im Schloss benutzt wurde. Der Ausruf „Wilwarin!“ rief den jeweils anderen zu einem erfolgreichen Fang. Das meiste war ganz hinten in ein paar Leinenpressen gefunden worden, obwohl sie auch ein paar Sachen von Betten, Tischen und Stühlen abgezogen hatten. Ein Stapel Betttücher, eine Sammlung kleiner Hand- und Tischtücher und verschiedene andere Teile waren aufgetaucht, obwohl Bilbo sicher wusste, dass Prim mehr als das besaß, als sie und Drogo Hobbingen verließen, um zum Brandyschloss zurückzukehren. Er erinnerte sich ganz speziell an ein paar wenige, feine Einzelstücke, die ihr ganzer Stolz gewesen und noch nicht aufgetaucht waren.

Rory hatte mit hochgezogener Augenbraue und einem tiefen Seufzen eine große Truhe zur Verfügung gestellt, aber er stellte keine Fragen. Gestern Abend hatten Bilbo und Frodo in Bilbos Zimmer gesessen und den Fang begutachtet. Frodo hatte neben den Schmetterlingen gesessen, hatte sie auseinandergefaltet und sie ganz genau betrachtet. Dann hatte er jedes sehr sorgfältig und präzise zusammengefaltet und in die Truhe gelegt. Manchmal erkannte Bilbo ein bestimmtes Stück wieder, und wenn er eine Geschichte hatte, die er darüber erzählen konnte, dann tat er es. Als Frodo die Hochzeitslaken gefunden hatte, ungewaschen, aber sorgsam zusammengelegt und in ein weiteres, weißes Tuch gehüllt, da hatte er sie einfach eine Weile angeschaut, dann hatte er sie wieder gefaltet und weg gepackt. Er hatte seine Steppdecke ganz oben auf das andere Leinenzeug gelegt wie eine Mutter, die ihr Kind für die Nacht zudeckt. Nachdem alles verstaut war, hatten sie schweigend noch eine Pfeife geraucht, bevor Frodo ihm eine Kuss gab und ins Bett ging.

Bilbo schlürfte noch etwas mehr Brandy. Er achtete sorgfätig darauf, nicht zuviel zu trinken – er brauchte einen klaren Kopf, wenn er es mit Esmeralda zu tun hatte. Er hatte Rory gefragt, ob er heute sein Studierzimmer benutzen dürfe. Er schien passend zu sein, wenn man die anderen Gespräche bedachte, die in den letzten Tagen in diesem Raum stattgefunden hatten. Seine Empörung hatte sich abgekühlt, auch wenn sie sich nicht vermindert hatte, und er hatte nicht vor, allzu liebenswürdig mit seiner doppelzüngigen Base umzuspringen. Es half, dass er bereit gewisse Grundzüge eines Planes entwickelt hatte, wie die allzeit ehrgeizige Eglantine zu umgarnen war. Rorys Kommentare über zwergenherzige Hobbits waren unvergessen.

Die Tür knarrte ein wenig, und Esmie rauschte herein. Das Einmachen und Trocknen der Herbstfrucht war im Gange, und sie hatte in der Küche und im Kochhof gearbeitet. Ihr Haar war aus dem Gesicht zurückgenommen und wurde von einer schlichten Spange festgehalten; ein paar vorwitzige Locken hingen heraus. Ihr Nasenrücken und die Rundung ihrer Wangen waren von der Zeit im Hof leicht sonnenverbrannt. Sie war ebenso einfach angezogen wie eine der Köchinnen – eine weiße, schlicht geschnittene Bluse mit tiefem Ausschnitt und kurzen Ärmeln, ein gerader, brauner Rock – ein wenig kürzer, als sie sie normalerweise trug – ein breiter Ledergürtel, um ihren Rücken und ihre Seiten zu stützen, wenn sie schwere Dinge hob und sich über niedrige Tische bückte. Obwohl Gesicht und Hände frisch geschrubbt waren, haftete ihr ein Geruch nach Schweiß und Holzrauch an. In dieser Jahreszeit hatte sie die Arbeit der Herrin getan, nachdem Gilda es nicht mehr konnte. Selbst so hatte sie eine so hoheitsvolle Haltung wie ein Elb, und Bilbo wurde erneut daran erinnert, dass dies eine so edle und hochgeborene Hobbitfrau war, wie man sie nur finden konnte.

Sie tauschten Grüße aus und Bilbo machte ein großes Trara darum, sie in Rorys Sessel zu setzen und ihr die Mahlzeit zu servieren. Sie kicherte, neckte ihn und schäkerte mit ihm, genau, wie die Herrin es mit einem tatterigen alten Vetter tun sollte. Bilbo aß kaum etwas (er bekam seinen Teller bei der ersten Runde kaum leer und schaffte keine zweite Portion) und wartete seine Zeit ab.

„Du und Frodo, ihr habt das Schloss gestern ziemlich auseinander genommen, Bilbo.“ sagte Esmie, als er ihre gebrauchten Teller auf ein Tablett im Korridor gestellt hatte und zurückkam. Er lächelte sie an, antwortete aber nicht und goss ihr einen Branntwein ein. Sie nahm einen großen Schluck. „Was habt Ihr zwei denn bloß gemacht? Ich habe Gerüchte über gestohlene Bettlaken gehört.“

„Wir waren auf einer Schmetterlingsjagd.“ erwiderte Bilbo glattzüngig. Esmie schaute ihn einen Augenblick ausdruckslos an, dann dämmerte das Verständnis. Sie sah nicht allzu erfreut aus. Bilbo hatte Frodo verboten, in Saras und Esmies Quartier nach irgendetwas zu suchen; jetzt dachte er, er sollte den beiden selbst einen Besuch abstatten.

„Du hast nicht wenige Leute mit deinen Possen aufgestört, Bilbo.“ schalt sie, „und Frodo hat es sicher nicht nötig, zu solchen Dingen ermutigt zu werden.“ Ein hartes Starren, aber nicht der Blick, den er so verabscheute. „Er hätte höflich fragen sollen, anstatt in den Besitztümern anderer herumzuwühlen.“

„Aber es waren andere, die seine Besitztümer hatten, und andere haben in seinen Sachen herumgewühlt“, erwiderte Bilbo gelassen, „und junge Männer sind ungestüm. Da er bald abreist, wird er in jedem Fall Hilfe brauchen, um Sachen einzusammeln und seine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, bevor er geht. Ich bin nur allzu glücklich, ihm beizustehen.“ Er nahm einen Schluck und beobachtete sie.

„Und wo hast du das gehört?“

„Von Frodo.“

Sie gab ein verärgertes Geräusch von sich. „Ich hatte ihm gesagt, dass er dich nicht mit den Neuigkeiten aufregen soll.“ Base Esmie war überhaupt nicht erfreut.

„Ich bin sehr froh, dass er es getan hat. Ich sollte hoffen, dass wenigstens ein Erwachsener in diesem Schloss um seinetwillen aufgeregt wäre. Und es gefällt mir ganz sicher nicht, wie du ihm gegenüber meine eigene Position dargestellt hast.“

Esmie blickte ihn erstaunt an. „Was meinst du damit?“

„Du hast ihn glauben gemacht, dass ich es billige, dass du ihn zu Pal schickst. Du weißt, dass ich das nicht tue.“

„Aber du stimmst damit überein, dass er hier nicht bleiben kann, und du stimmst auch zu, dass er nicht mit dir gehen kann...“

„Nein, ich stimme nicht damit überein. Ich glaube fest – in der Tat weiß ich – dass Frodo besser dran wäre, wenn er mit mir wegginge. Das Problem ist, dass sein Ruf besser ist, wenn er zu Pal geht.“

Esmie zuckte die Achseln und nippte an ihrem Glas. „Er wird bei Pal nicht zu Schaden kommen. Das ist alles, was zählt. Er wird frei sein von dir. Keine Possen mehr wie die, die gestern passiert sind. Rory mag es nichts ausmachen, aber Pal wird darauf achten, dass die Dinge anständig sind.“ Ihr Blick war so verächtlich wie ihr Tonfall herablassend.

Bilbos Blut wurde kalt, und er starrte sie mit nicht gerade kleiner Bosheit an. Ihr Ausdruck wandelte sich zu so etwas wie einem Grinsen, dem ziemlich ähnlich, dass Sara ihm bei Tisch am Hochtag zugeworfen hatte. „Warum gehst du so weit, um mich von dem Jungen fernzuhalten, Esmie? Für was für ein Monstrum musst du mich halten, dass du mir verbieten willst, ihn auch nur zu sehen?“

Esmie war ganz Besorgnis und Entschuldigung. „Nein, nein, Vetter Bilbo, nichts dergleichen! Es ist nur, dass es dich nicht zu kümmern scheint, wie die Dinge aussehen, und du machst immer unpassende Sachen, eben weil es dich nicht kümmert.“

Bilbo nahm einen Schluck und dachte darüber nach. Sie hat Recht, auch wenn sie nicht völlig ehrlich ist. Manche würden mich meines Jungen berauben, weil sie wissen, es würde uns beiden wehtun. Aber es ist wahr, dass mich Klatsch nicht kümmert. Ich muss an Frodo denken, nicht bloß an mich selbst. Das Problem war nur, dass alles, woran er denken konnte, wenn es um Frodo ging, der Schmerz und die Angst des Kindes war; mit beidem würde man in einem Karnickelbau wie den Groß-Smials nicht gerade gut umgehen.

„Bilbo, bitte, sei nicht so niedergeschlagen.“ bat Esmie. Sie schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln, das bezaubernde Lächeln des Alten Tuk, das er selbst mit solch ausgezeichneten Ergebnissen einzusetzen wusste, ein Lächeln, das Frodo noch nicht ganz beherrschte, weil man ein wenig Hinterlist brauchte, um es hinzubekommen. Er lächelte wie ein trauriger, alter Mann, während der Rest von ihm geduckt darauf wartete, zu sehen, was sie vorhatte. „Es ist nicht so schlimm wie du es darstellst. Gib dem Jungen ein paar Monate, um sich einzugewöhnen, und ich bin sicher, wie bekommen die Erlaubnis, dass du ihn sehen darfst.“

„Wir?“

Esmie lächelte recht verschwörerisch. „Nun, du solltest wissen, dass Eglantine eine ziemliche Schwäche für dich hat, und wir wissen beide, wie lieb dir der Junge ist. Ich weiß nicht, wie oft es einzurichten wäre, aber sie ist ziemlich sicher, dass sie Pal ein wenig weniger unbeugsam machen könnte. Ich würde meine Stimme noch dazutun und sehen, ob wir meinen sturen Bruder zur Vernunft bringen können.“

"Sie mag ihre Bequemlichkeit zu sehr, um sie zu riskieren. Hat einiges von einem Zwergen im Herzen.“ Rorys Warnung hallte in Bilbos Kopf wider. Er wusste, dass Eglantines Schwäche für ihn ihren festen Platz in ihrer Börse hatte. Er fing an, sich zu fragen, wo Esmies Warmherzigkeit herrührte. Sie würde nicht den Zorn und Abscheu ihres Bruders riskieren, wenn sie nichts dafür zurückbekam. Dies erforderte eine weitere Untersuchung. Bilbo hatte das Gefühl, sich einem Raubtier gegenüber zu sehen.

„Aber Esmie, vereitelt das denn nicht ziemlich die Absicht? Wenn meine bloße Gegenwart seinen Ruf gefährdet, wieso würdest du mir dann überhaupt gestatten, in seiner Nähe zu sein?“

Ihr Blick verschärfte sich, „Es wäre nicht sehr häufig“, Ihre Stimme hatte einen stechenden Hauch, dann wurde sie höflich, die Klinge unter einer seidenen Oberfläche verborgen,, „und da wäre nichts an einem solchen Besuch, wovon er sich nicht erholen könnte oder würde. So lange du dich mit deinen Manieren in Acht nimmst und ihn nicht zu unanständigen Gewohnheiten ermutigst.“

„Ich hab es dir schon einmal gesagt, Esmeralda, dass du mich krank machst mit solchen Andeutungen, also bitte, hör damit auf.“ Sie sah nicht so verlegen aus wie noch vor ein paar Tagen. „Nebenbei denke ich, dass deine Besorgnis über solche Angelegenheiten ziemlich fehl am Platz sind. Ich glaube nicht, dass ich Frodo ,ermutigen’ könnte, wie du das genannt hast, da er diese Neigungen überhaupt nicht hat. Er ist von dir betört, meine Liebe, nicht von mir. Ich denke eher, dass ein gewisser eifersüchtiger Ehemann gehässige Dinge gesagt hat, um einen jungen Burschen mitten in den Tiefen seiner ersten Zwanziger-Liebe in Verlegenheit zu bringen.“

Esmie schnaubte entrüstet. „Nun, natürlich weiß ich, dass der alberne Junge mir hinterher schmachtet! Es ist reichlich offensichtlich, und er sollte sich mehr vor eifersüchtigen Ehemännern in Acht nehmen.“ Sie warf Bilbo einen wissenden Blick über das Glas zu, während sie daran nippte. „Er ist nicht verdorben, Bilbo, und er ist nicht dumm. Frodo hat ein Auge für Rundungen, wie jeder Brandybock, und ich lasse es zu, obwohl Sara eifersüchtiger ist, als er sollte. Aber es ist nicht nur das, was Sara sagt. Der Junge tut entschieden – ungezogene – Dinge mit anderen Jungs, und allmählich wird er dafür bekannt.“

„Wie zum Beispiel? Was? Wann? Mit wem?“ schoss Bilbo zurück. „Und was bitte ist ,ungezogen’? Einen anderen Jungen zu küssen? Die Hände auch noch in die Hosen eines anderen zu stecken, neben seinen eigenen? Sich an den Straßenkreuzungen feilzubieten?“

„Bilbo!“ Esmie schnappte nach Luft. „Das reicht jetzt aber!“

„Nun, es würde reichen, wenn du sagen würdest, was es ist, Esmie. Aber nachdem alles, was ich höre, Gerüchte sind - keine Einzelheiten, kein Beweis - und alles was ich sehe, ein Zwanziger ist, der ziemlich gründlich deine Kehrseite betrachtet, wenn du weggehst oder der versucht, einen Blick auf deinen Busen zu erhaschen, wenn du dich vorbeugst... da bleibt mir keine andere Meinung außer der, dass es Saras Lügen sind.“

„Du bist noch nicht sehr lange hier, Bilbo,“ schnappte Esmie, „und Frodo hat sein bestes Benehmen an den Tag gelegt. Es gibt eine Grundlage, obwohl ich sie nicht wiederholen werde. Es ist nichts, das es vertrüge, wenn man es wiederholt. Du wirst es halt selbst herausfinden müssen. Oder, noch besser, geh lieber nicht nachschnüffeln, was das Gerücht wahrscheinlich zum Beweis machen würde. In jedem Fall ist es geschmacklos, darüber zu sprechen.“

Bilbo stellte sein leeres Glas auf den Tisch neben sich. Esmie hielt ihm ihr Glas zum Nachfüllen hin, und er tat es. Er war sich nicht sicher, ob die ganze Unterhaltung überhaupt noch einen Sinn hatte. Aber er versuchte noch immer herauszufinden, was Esmie wollte. Um Frodo in die Groß-Smials zu bringen, war seine Zustimmung nicht nötig, und jedermann außer ihm schien ziemlich sicher zu sein, dass dies das Beste für Frodo sei, also weshalb machte sie sich überhaupt die Mühe, mit ihm darüber zu reden? Und niemand konnte genau sagen, was es war, das der Junge tat, und das sie alle so unruhig machte. Es konnte beinahe alles sein.

Esmie begann zu plaudern und er lächelte höflich, während er darauf wartete, dass sie etwas Neues von sich gab. „Eglantine und ich haben uns in den letzten paar Tagen ein bisschen hin- und her geschrieben, und alles ist vorbereitet. Wenn die Ernte-Riten morgen erst einmal getan sind, dann ist nicht mehr allzu viel zu tun, bis das Dreschen im Südviertel kommt, in der ersten Woche im Winterfilth. Also werden die Kinder und ich Pal und Eglantine einen Besuch abstatten und dafür sorgen, dass sich der Junge rechtzeitig bis zum Dreschen eingewöhnt; das wird eine Zeit sein, die arbeitsreich genug ist, um ihn davon abzuhalten, über seinen Umzug an einen neuen Ort nachzubrüten. Die Kinder und ich werden ein paar Wochen bleiben, dann sind wir rechtzeitig zur Winterkürbis-Ernte zurück, und um mit dem Herbstschlachten anzufangen. Wir reisen am nächsten Hemelstag ab.“

„Das könnt Ihr nicht!“ rief Bilbo aus.

„Wieso nicht?“ fragte Esmie verwirrt.

„Nicht am Hemelstag! Wartet bis Hochtag! Meerstag ist unser Geburtstag. Ich habe Frodo versprochen, dass wir ihn zusammen feiern.“ erwiderte Bilbo. „Das hast du doch sicher nicht vergessen? Du wirst ihn doch nicht ausgerechnet vor seinem Geburtstag gehen lassen?“

Der Ausdruck auf Esmies Gesicht war alles an Antwort, was er brauchte. „Er muss bald gehen, und wenn dir wirklich etwas an dem Jungen läge, wie du behauptest, dann würdest du eher nach Hause gehen und ihm die Abreise nicht noch schwerer machen, als sie es sowieso schon wird. Er wird in den Groß-Smials zu einem Geburtstagsfest ankommen, und er wird sehr fröhlich in seinem neuen Zuhause willkommen geheißen werden. Ich bin nicht herzlos, Bilbo. Es ist doch viel besser, auf einem Fest anzukommen, anstatt eines zu verlassen, denkst du nicht?“

Bilbo fehlten die Worte. Er war sich nicht sicher, ob er Luft bekam. Ein weiteres gebrochenes Versprechen. Und er wird denken, das hier hätte ich auch gewusst. Er starrte Esmie einfach ausdruckslos an, während sie weiterschwadronierte.

„Es ist die perfekte Zeit für ihn, zu gehen. Er wird auf einem Fest ankommen und all seine Vettern und Basen auf einmal treffen. Dann wird es die ganze Arbeit mit der Ernte geben und die Vorbereitungen für den Winter. Pal hat gesagt, er wird Frodo dicht bei sich behalten und ihm alles beibringen, was er kann. Er wird ein gutes Auge auf ihn haben, und die Leute werden ihn mit Pal zusammen sehen. Das wird sehr gut sein für beide. Pal möchte so sehr einen Jungen, weißt du? Er und Eglantine hoffen, dass sie bald einen haben und ich glaube, Pal wird von Frodo sehr eingenommen sein. Du musst dir keine Sorgen machen, Bilbo, und vielleicht kannst du ihn zum Julfest besuchen.“

„Frodo wird keine Minute Zeit haben, um irgend etwas zu vermissen, vor allem nicht die Kerle, mit denen man ihn in Verbindung gebracht hat. Pal wird ihn lehren, ein anständiger Bauer und Edelhobbit zu sein, und die Mädels werden ganz schön verrückt sein nach ihm. Er muss natürlich noch ein bisschen wachsen – nicht, dass das etwas Schlechtes wäre. Es mag zwar gut für ihn sein, an Mädchen zu denken, aber er ist noch zu jung, um viel anzustellen, und die Mädchen müssen auch noch ein bisschen größer werden.“

Bilbo hatte nur mit halbem Ohr auf Esmies Worte geachtet, während er versuchte, seinen eigenen Schmerz unter Kontrolle zu bringen, aber der letzte Satz durchbrach endlich den Nebel. „Was für Mädchen? Es klingt, als hättest du ein paar ganz bestimmte im Sinn.“ Esmie strahlte mit Wärme. „Natürlich tu ich das! Niemand anderen als Perle und Merle. Das sind gute Mädchen, und für beide wäre es eine ausgezeichnete Partie. Ja ja...“ sagte sie angesichts von Bilbos ungläubigem Gesichtsausdruck, „ich weiß, sie sind vielleicht noch ein bisschen jung, aber man kann nicht früh genug damit anfangen, sich anständig vorzubereiten. Zu dumm, dass Merle so viel jünger ist – obwohl es da das Beispiel seiner eigenen Eltern gibt – aber ich bezweifle, dass er so lange darauf warten will, bis sie jährig ist. Perle ist genau richtig, und bis dahin werden Pal und Eglantine ihn so sehr lieben wie Sara und ich.“

„Oh, ich hoffe, sie werden ihn ein bisschen mehr lieben as Sara es tut. Du planst sein Leben ein bisschen sehr gründlich durch, meinst du nicht?“ fragte Bilbo trocken. „Setzt du den Hut nicht ein bisschen zu hoch auf für deinen Kopf? Und wieso hast du es so eilig, all das zu planen? Es sind Kinder! Das alles hat noch Zeit.“

Esmie zog sich in ihrem Stuhl hoch und starrte ihn höhnisch an. „Und was sollten wir sonst tun? Ihn seine Fehler machen lassen, so wie dich? Vielleicht, wenn jemand dich fester an der Hand genommen hätte, Bilbo, als du in Frodos Alter warst, dann hättest du jetzt nicht so einen üblen Ruf. Was für Narrheiten du hättest vermeiden können, wenn man dir gezeigt hätte, was du tun sollst, anstatt dir zu erlauben, herumzuwandern und deinen eigenen Launen zu folgen? Vielleicht hast du einen Geschmack an unnatürlichen Dingen entwickelt und hast an nichts anderem mehr Freude, aber Frodo hat einen Blick für Frauen und sollte anständig geführt und ermutigt werden.“

„Du weißt nicht über meinen Geschmack, Esmeralda, und du legst eine betrübliche Ahnungslosigkeit darüber an den Tag, wie ich aufgezogen wurde.“ sagte Bilbo sehr ruhig, aber ebenso deutlich. Er war froh, dass er aufgehört hatte, zu trinken. „Ich schlage vor, dass du nicht mehr davon sprichst, damit du mich nicht wütend machst.“

„Natürlich, Bilbo“,erwiderte Esmie, immer noch voller Hohn, „wie du wünscht. Es sind wahrscheinlich sowieso alles – Gerüchte. Ebenso wie bei Frodo, wie du sagst.“ Er beobachtete sie. Sie warf sich ein wenig in die Brust und nippte an ihrem Glas. „Obwohl es selbst für Perle eine lange Wartezeit sein wird. Aber so schlecht ist das gar nicht.“ Bilbo hörte, wie ihre Stimme sich verlangsamte und nachdenklich wurde, aber dann fuhr sie zuversichtlich und ernsthaft fort: „Und andere Jungs bringen es sehr gut fertig, zu warten, wenn sie ihr versprochenes Mädchen achten!“

„Was kümmert es dich, ob er wartet oder nicht, solange es ein Mädchen ist, mit dem man ihn in einem Heuschober oder hinter einer Hecke erwischt?“ fragte Bilbo ruhig. „Schließlich sind solche Dinge ziemlich natürlich und nur ein ganz kleines bisschen skandalträchtig. Nichts, wovon er sich nicht erholen könnte.“

Er hatte nicht mit ihrer Wut gerechnet. „Was stimmt nicht mit dir, Bilbo Beutlin?“ schnappte sie. „Wieso widersprichst du? Wieso bist du ohne jeden guten Grund dermaßen dagegen? Alles was ich zu tun versuche, geschieht für Frodo, alles, was ich möchte, ist, was das Beste für ihn ist, damit er nicht so endet wie du! Willst du nicht, dass er respektabel ist? Bist nicht du derjenige, der vor ein paar Tagen herkam und sagte, er sei für große Dinge bestimmt? Beantworte mir das, wenn du kannst, du lästiger alter Narr: Ist das, was ich für den Jungen will, wirklich so verschieden von dem, was du willst? Ist am Ende meine Art, die Dinge anzugehen, nicht besser dazu geeignet, ihn an diesen Punkt zu bringen, als wenn er mit dir herumwandert, mit eigenartigem Volk redet und mit Worten, die kein anständiger Hobbit versteht? Ich warne dich, Bilbo, du solltest dich besser nicht gegen mich stellen. Wenn du weiter allem widersprichst, was vernünftig ist, werde ich anfangen zu glauben, dass du in der Tat üble Absichten mit dem Jungen hast, und ich werde nicht darüber schweigen. Hör auf, dich wie ein Spielverderber aufzuführen, der sich an alles mögliche klammert, das er nicht braucht. Willst du denn nicht wieder Kinder in Beutelsend sehen?“ Sie stürzte den Rest Branntwein in einem Schluck hinunter und starrte ihn an.

Bilbo fühlte sich, als hätte ihm jemand eine Zwergenaxt über den Schädel gezogen. Er stemmte sich auf die Beine und ging zu dem Fenster hinüber, das auf den Branywein hinaussah. Er wandte Esmie den Rücken zu, starrte hinaus und versuchte, seine Gedanken unter Kontrolle zu bringen. Sie hat Recht. Ist das, was sie will, so anders? Ist ihr Weg auf lange Sicht nicht besser und freundlicher? Du bist ein schräger Vogel, Beutlin, für ein seltsames Leben gemacht, aber sind Frodo nicht schon allzu viele schrecklichen Dinge zugestoßen? Frodos Elend während ihres Streites, als es darum ging, zu Pal zu ziehen, verfolgte ihn noch immer. Ich möchte ihm mehr davon ersparen! Bist du denn nicht selbstsüchtig, Beutlin, dass du Ideen und Geschichten von Abenteuern vor seiner Nase herumbaumeln lässt? Es ist ein unredlicher Weg zu seinem Herzen. Er hörte, wie Esmie aufstand und sich noch einen Branntwein eingoss. Wenn ich eingreife, würde sie ihn auch noch ruinieren. Sie würde Dinge über mich erzählen, aber in Verbindung mit ihm, und er wäre derjenige, der leidet. Ich bin alt, ich habe das alles schon gehört, aber ich bin einst respektabel gewesen. Bis nach meinen Abenteuern war ich respektabel. Nicht einmal das würde er haben. Er hörte Rorys Stuhl knarren, als Esmie sich hinsetzte. Ich möchte, dass er glücklich ist. Ich möchte, dass er heiratet und Kinder hat, all die Kinder, die Prim und Drodo haben wollten, und sie würden in Beutelsend aufwachsen, wie ich es von ihren Kindern gehofft habe, und... Beutelsend?

Bilbos Rücken versteifte sich, als er plötzlich alles mit vollkommener Klarheit wahrnahm. Es war wie damals, als er im Düsterwald aufgewacht war und sich halb in ein Spinnennetz eingewoben fand. Er fühlte sich, als hätte er ganz dicht auf die farbigen Knoten von Prims Steppdecke gestarrt und erst jetzt verstanden, dass die winzigen, ungleichen Fäden ein Muster ergaben. Esmies sämtliche Pläne und Begehrlichkeiten lagen offen vor ihm, und er wunderte sich, warum er sie bis jetzt nicht gesehen hatte. Er wusste auf der Stelle, dass er sich seinen Weg aus diesen Schlingen freikämpfen musste, bevor sie ihn unbeweglich machten und Frodo der Gnade dieser Spinne auslieferten. Sie war viel furchterregender als die anderen, gegen die er unter den dunklen Bäumen gefochten hatte. Was würde ich darum geben, wenn ich Stich jetzt bei mir hätte. Sein Elend verschwand, als ein scharfer, berechnender Zorn von ihm Besitz ergriff. Er wandte sich vom Fenster ab und schlenderte langsam zu Esmie hinüber.

„Ah, Esmeralda, größtes und schrecklichstes aller Unglücke.“ spottete er leise, während er näher kam. „Du kennst mich nicht so gut wie du denkst. Weißt du, wer ich bin?“ Er erinnerte sich fünfzig Jahre zurück, als er das letzte Mal mit einem so herzlosen und gefährlichen Geschöpf gesprochen hatte. „Ich bin der Spurfinder, der Netzschlitzer, die stechende Fliege. Ich kann dich sehen, obwohl du mich nicht siehst.“ Und du hast mir närrischerweise den Spalt in deiner Rüstung gezeigt, süße Base. Er stand jetzt direkt vor ihrem Sessel und er packte die beiden Armlehnen und beugte sich zu ihr hinunter, wie er es vor ein paar Tagen bei Rory getan hatte.

Sie wich gegen die Rückenlehne des Sessels zurück und beobachtete ihn wachsam. Er lächelte boshaft, dann ließ er den Blick auf entspannte, maßnehmende Weise über ihren Körper wandern und auf ihren Lippen ruhen, ihrer Kehle, ihren Brüsten und ihrem Schoß. Während er das tat, fragte er beiläufig: „Also, Base, sag mir, wo wirst du es machen?“

„Was machen? Was meinst du?“ sagte sie nervös. „Weg mit dir, Bilbo. Lass mich gehen!“

„Hier oder dort?“

„Wo hier und wo dort? Was? Du redest Unsinn!“

„Im Brandyschloss oder in den Groß-Smials? Ich denke, in den Groß-Smials.“

„Was?!?“

„Mit Frodo ins Bett gehen, natürlich.“ Das Geräusch ihrer Hand, die auf sein Gesicht traf, war wahrscheinlich laut genug, dass man es auch noch im Korridor hören konnte. Esmie starrte ihn voller Wut und Entsetzen an. Hab ich dich. „Ich glaube nicht, dass du es hier wagen würdest, wegen Sara, aber was für einen besseren Weg gibt es, dass der Junge sich an einem neuen Ort zu Hause fühlt als ein wenig Herumrollen in den Laken mit der, die sein Herz – schön, die sein Geschlecht begehrt?“ Ein zweiter Schlag, und Bilbos Lächeln verbreiterte sich zu einem wölfischen Grinsen. „Und falls es Folgen hat, wäre es nicht wirklich ein Problem, wenn man bedenkt, wie ähnlich Sara und Frodo sich sehen. Ich habe Gerüchte gehört, dass du an ein weiteres Kind denkst.“ Diesmal war er auf ihren Schlag vorbereitet. Als sie ausholte, packte er rasch ihr Handgelenk und hielt ihren Arm auf der Armlehne fest. Genauso rasch hatte er das andere Handgelenk eingefangen und Esmie saß in dem Sessel in der Falle. Noch eine rasche Bewegung, und eins seiner Knie ruhte auf der Sitzfläche des Sessels zwischen ihren Schenkeln.

„Wenn das Baby natürlich Frodos kleine Füße hat, dann müsstest du ein bisschen was erklären...“ sinnierte er.

Esmie setzte sich eine Sekunde zur Wehr. „Geh weg von mir! Lass mich los!“

Bilbo zog ein langes Gesicht. „Aber Esmie, ich dachte, du wärest froh darüber, dass ich endlich meinen Weg zwischen die Beine eines Mädchens gefunden habe.“ Er ließ seinen dunklen Humor fahren und zeigte ihr seinen Zorn. „Du versuchst, das Beste für Frodo zu tun? Du möchtest, dass er glücklich ist? Was für Lügen! Du denkst nur an dich selbst. Du manipulierst meinen Jungen, um ihn an dich zu binden, und dabei spielst du in der schamlosesten Weise mit seiner Liebe und seinen Ängsten. Und du manipulierst mich durch ihn; du benutzt Drohungen von einem ruinierten Ruf und Versprechungen auf einen flüchtigen Besuch, um dir meine Komplizenschaft zu sichern. Du bist fast so gut mit Rätseln wie ich. Beantworte mir das: Wo geht das Erbe dieses alten, verückten, kinderlosen Hobbits hin? Wer kriegt den Drachenschatz? Wer kriegt Beutelsend?“

Esmie hatte es aufgegeben, sich gegen seinen Griff zu wehren und entspannte sich langsam an der Rückenlehne. Sie schaute mit einigem Aumsement zu ihm auf. „An den lächerlichen, kleinen, verwaisten Vetter, an dem er in recht unziemlicher Weise hängt.“ Ihre Augen glitzerten durch dichte Wimpern hindurch. „Und wer auch immer den Vetter beherrscht, der beherrscht den Schatz.“

Bilbo musste ihre Schlauheit bewundern. Er hatte nie darüber gesprochen, wer sein Erbe war oder sein würde, und die meisten stimmten darin überein, dass er zu verrückt sei, seine Angelegenheiten zu regeln – eines Tages würde er sterben und die Sackheim–Beutlins würden wahrscheinlich den Löwenanteil der Beute für sich beanspruchen, einfach, weil sie am dichtesten dran waren. Aber die mit mehr Scharfsinn würden gewusst haben, das Bilbo sehr wenig dem Zufall überließ (wenn das nicht gerade beinhaltete, ohne auch nur ein Taschentuch zur Vordertür hinauszustürzen, natürlich), und die, die genauer hinsahen, hatten (zutreffend) herausgefunden, wer über Bilbos Herz regierte. Esmie hatte ein paar Alterszahlen und passende Todesdaten berechnet und einen Schritt weiter gedacht. Ziemlich schlau, aber immer noch verabscheuungswürdig.

„Ah, schöne Dame mit dem feurigen Haar,“ sagte Bilbo leise und gefährlich, „du hast sicher alle Männer um dich her am Wickel, selbst einen, der so unnatürlich ist wie ich. Du solltest die Wirkung, die du auf mich hast, nicht unterschätzen und nicht alles glauben, was du hörst. Ich bin nicht ganz ohne Geschmack für Dinge, die weich und gerundet sind. Ich denke nicht, dass es dir so viel ausmachen wird, nachdem du ja scheinbar närrische, alte Kerle mit schweren Taschen magst. Sollen wir mal schauen?“

Esmie fuhr zurück, als Bilbo ihre Kinnlinie liebkoste und versuchte, sich frei zu winden. Bilbo zog sich ein kleines Stück zurück und schaute sie mit geheuchelter Bestürzung an. „Ach du liebes Bisschen, das war ziemlich grob, nicht? Ich habe vergessen, dich zuerst zu bezahlen. Auf der anderen Seite... während es nicht sicher ist, ob ich einen Geschmack an Männern habe, kann ich dir versichern, liebste Base, dass ich gar keinen Geschmack an Huren finde, also bist du sicher, was das angeht. Wir beide haben etwas, was der andere will, also warum schauen wir nicht, ob wir ein kleines Geschäft machen können?“

Obwohl, um die Wahrheit zu sagen, eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf ihn drängte, weiterzumachen, sie zu besitzen, ihr weh zu tun, sie leiden zu lassen. Er schob sie weg. Keine Rache, nur der Junge.

„Nimm deine perversen Hände von mir und geh weg!“ zischte sie. „Ich habe dir nichts zu sagen!“

„Du bist nicht die Richtige, mich pervers zu nennen, wenn du vorhast, mit einem Kind ins Bett zu gehen, Esmie.“

„Und du hast solche Absichten nicht? Frodo ist kaum ein Kind, nicht mit dem, was er getan hat. Wenigstens ist das, was ich tue, natürlich.“

„Was du tust? Also machst du eine Gewohnheit daraus, Jungs in den Zwanzigern zu verführen?“ Sie starrte ihn an. „Esmie, wie ich sagte, wir müssen uns um Geschäfte kümmern. Du hast, was ich will, ich habe, was du willst. Du weißt sehr gut, dass mein Junge mir mehr wert ist als jedes materielle Ding – darauf zählst du, damit dein Plan funktioniert – also werde ich mich nicht damit aufhalten, es abzustreiten. Ich weiß jetzt, dass du dir materielle Dinge mehr wünscht als dass er dir bedeutet, also erspar mir alle weiteren Beteuerungen von Liebe oder Sorge um Frodo. Warum geben wir einander nicht, was wir am meisten wünschen? Ich bin nie jemand gewesen, der viel feilscht, also bist du im Vorteil. Was willst du für Frodo haben? Nenn mir deinen Preis.“

„Was meinst du damit, meinen Preis nennen?“ Ihre Augen waren berechnend.

„Genau das. Sag mir, was du haben willst, damit ich meinen Jungen mit mir nehmen kann.“

„Du kannst dir doch sicher einen Jungen für weniger als das besorgen. So ein Vergnügen kann er ja wohl nicht sein.“ Bilbo war froh, dass er beide Hände voll damit zu tun hatte, ihre Handgelenke festzuhalten, oder er hätte sie für ihre Worte geschlagen. Wieder sprach die kleine Stimme und drängte ihn, sie für ihre Kühnheit zu strafen. Er brauchte mehrere Herzschläge, um diese Stimme zum Schweigen zu bringen.

„Willst du mein Drachengold? Es gibt jede Menge davon, mehr, als du je wissen wirst, was du damit anfangen sollst. Es ist alles dein, jede letzte Münze und Kette.“ Was soll’s? Ich kann jederzeit mehr bekommen. „Vielleicht willst du Beutelsend? Lobelia wird ein bisschen Theater machen, aber ich gebe dir den Schlüssel jetzt sofort, wenn du es wünscht.“ Vielleicht kommen Frodo und ich schneller nach Bruchtal, als ich dachte. „Immer noch nicht reich genug für deinen Geschmack? Nimm alles. Ich behalte die Kleider, die ich am Leib trage und meinen Wanderstock, nachdem ich zu Fuß unterwegs bin. Der Rest, jedes Buch, jeder Stuhl, jede Blume im Garten, ist dein, wenn du es willst. Das Einzige, was ich möchte, ist mein Junge.“

Esmie hatte sich nach seinem Versprechen, sie nicht weiter zu belästigen, wieder entspannt. Bilbo konnte sehen, dass sie durchrechnete, bedachte und abwog. Ist Sara ein Teil hiervon? Fragt sie sich, was sie hier ohne ihn herausschlagen kann? Nein, seine Eifersucht würde ihr den Spaß und den Erfolg ruinieren.

„Mein Junge“, sagte sie in nachdenklichem Ton, „Immer nennst du ihn so. Ich glaube, du würdest alles für ihn eintauschen. Du würdest ihm nichts verweigern. Verlangst du wahrhaftig so sehr nach ihm? Will er dich andersherum auch nur halb so sehr? Würde er dich wollen, wenn du ihm nichts zu geben hättest?“

„Vielleicht nicht, aber das muss er entscheiden, nicht du.“

„Wie wahr ist das, wenn du sagst: ,Mein Junge’?“

„Ich verstehe nicht.“

Esmies Augen leuchteten skandalträchtig. „Du weißt, dass es andere Gerüchte über deinen Jungen gibt... dass er genau das ist. Ihr drei lebt so lange zusammen in Beutelsend, und dann ziehen sie weg, um die Zeit herum, als es Kinder geben sollte, und nichts passiert. So viele Jahre so kinderlos, und dann kommst du auf einen langen Besuch nach Bockland und sie ist schwanger. Du solltest dich neben ihm sehen. Ihr könntet sehr gut Vater und Sohn sein, ähnlich wie ihr euch seid.“

„Nicht mehr als Frodo dir ähnelt, oder Pal. Habe ich dich etwa auch gezeugt? Ich wünschte ich hätte, dann könnte ich dich enterben.“ Bilbo hatte nicht geglaubt, dass er sie noch mehr verabscheuen könnte, und er war nicht erfreut, dass er sich irrte.

„Es könnte ausreichen, um die Angelegenheit mit dem Boot zu erklären.“

Bilbos Hände schlossen sich fester um ihre Handgelenke und drückten sie so hart gegen die hölzernen Armlehnen des Sessels, dass sie das Gesicht verzog und nach Luft schnappte. „Ich möchte nichts davon hören. Wenn ich du wäre, Esmie, würde ich solche Sachen nicht allzu laut in Rorys Gegenwart sagen. Ich bezweifle, dass er möchte, dass der Name seiner Schwester auf eine solche Weise beschmutzt wird.“

Esmie kicherte. „Was glaubst du, wo ich das herhabe?“

Bilbo studierte einen Moment lang ihr grinsendes Gesicht und verengte die Augen. Was dies anging, sagte sie die Wahrheit. „Ich glaube dir nicht. Selbst wenn Rory so etwas gedacht hat, er wäre zu diskret, um es auszusprechen.“

„Es war, als Gilda zum ersten Mal so schlimm krank wurde. Er wollte sich nicht ausruhen, und dann trank er zuviel. Ich habe ihn endlich hierher zurück geschafft und er hat mir sein Herz ausgeschüttet. Er redete über Gilda, und darüber, dass er sie nicht wie Prim verlieren will. Und dann redete er weiter über Frodo, dass er es dir nie übel genommen hätte und dass ich es dem Jungen nie sagen darf, und dass alles was zählt, sei, dass er etwas hat, das ihm von Prim geblieben ist. Es spielte keine Rolle, welcher Beutlin ihn gezeugt hat, denn er war sicher Prims Kind.“

„Natürlich haben auch andere Leute neben Rory spekuliert. Sie haben sich immer über diese Ehe gewundert. Es war absolut nicht anständig, dass die beiden so lange mit dir zusammen gelebt haben. Weißt du, als kein Kind kam, haben sich ein paar gewundert, ob nicht du und Drogo das Paar seid.“ Bilbo erinnerte sich nur zu gut an diese Gerüchte; sie waren der Grund gewesen warum Drogo und Primula endlich aus Beutelsend ausgezogen waren. „Prim hat ein Kind ausgetragen, also lag der Fehler nicht bei ihr. Wenn dein Vetter imstande gewesen wäre, etwas zu zeugen, hätte sie viel eher ein Kind gehabt. Also war die einzige Frage, die blieb, als das Kind kam: wer hat Frodo gezeugt? Die Leute in Bockland können nicht bloß zählen, sie wissen auch, wie man rückwärts zählt. Und du bist so ungemein passend um die richtige Zeit zu Besuch gekommen.“

Bilbo speicherte dieses kleine bisschen Information sorgsam für den späteren Gebrauch und antwortete mit gespielter Lässigkeit: „Nun, besser, die Leute halten ihn für meinen Sohn anstatt für meinen Liebhaber.“ Esmie grinste noch boshafter und holte Luft, um etwas zu sagen. „Wenn du die nächsten Worte aussprichst, die du auf der Zunge hast, Frau, dann schlage ich dich.“

Sie schluckte sie herunter und starrte ihn an. Nach ein paar Sekunden schlug sie die Augen nieder und schüttelte den Kopf. „Nun, wie hübsch die Geschichte auch immer sein mag, ich glaube es nicht. Wenn er es wäre, dann hättest du ihn längst beansprucht.“ Sie schaute ihn verächtlich an. „Genauso wenig glaube ich, dass du weißt, wie man ein Kind kriegt.“

„Ich versichere dir, das weiß ich. Möchtest du, das ich es dir demonstriere?“ Er drückte sein Knie höher, presste es gegen die Innenseite ihres Schenkels und schob sein Gesicht dicht vor das ihre. Diese kleine Stimme drang wieder auf ihn ein, ermutigte ihn, sagte, wie leicht es sein würde, wie sehr sie es nötig hatte, an ihren Platz verwiesen zu werden, wie befriedigend es sein würde, sie zu nehmen. Sie prallte vor dem Gift in seiner Stimme zurück, und er lächelte befriedigt.

„Also, Esmaralda, ich hab das hier langsam satt. Du tust nichts anderes als Verleumdungen zu wiederholen, die seit Jahren im Umlauf sind., und das hat nichts mit unserem Geschäft zu tun. Hast du eine Antwort für mich, oder muss ich dir noch mehr Zeit zum Nachdenken lassen? Was willst du?“

„Nichts.“

Bilbo betrachtete sie verwirrt. „Was meinst du damit, nichts?“ Sie würde ihm Frodo niemals einfach übergeben, also hatte sie irgend etwas vor.

Ihr Ton war schadenfroh. „Nichts. Ich will nichts von dir, weil ich nichts von dir brauche. Siehst du, ich habe eine Sache, die du nicht hast, alter Mann: Zeit. Und deshalb gibt es nichts, was du mir zu bieten hättest. Vielleicht hast du noch ein paar wackelige Jahre, aber keine dreizehn. Siehst du, ich kann irgendwann alles haben, was du mir anbietest. Was du hast, wird an Frodo gehen. Du kannst ihm nichts vorenthalten, selbst bei allem, was du jetzt weißt. In der Zwischenzeit habe ich Frodo, und du hast ihn nicht, und ich werde genießen, was ich habe. Ich bin sicher, kleine Füße könnte ich wegerklären, falls Sara sie überhaupt bemerkt. Würdest du seinem Kind irgend etwas verweigern? Es gibt nichts, was du tun kannst, um mich zu verletzen. Alles, was du versuchst, fällt ganz einfach auf den Jungen zurück.“

Bilbo erwiderte ihr bösartiges Starren und schüttelte den Kopf. Er trat von ihr zurück, ließ sie aus seinem Griff und schlenderte zu der Karaffe hinüber. Sie stand aus dem Sessel auf und folgte ihm. Er goss sich gelassen ein Glas ein, dann wandte er sich zurück und setzte sich auf die Tischkante.

„Verstehen wir einander, Beutlin? Tu, was ich sage, mach keinen Aufstand und ich lasse dich den Jungen sehen. Sei sehr gut zu mir und ich kann für dich arrangieren, dass du mit ihm tun darfst, was immer du willst.“ Bilbo hob nur mit farblosem Gesichtsausdruck die Augenbrauen. „Sei allerdings nicht so schnell bereit, deinen Schatz loszuwerden, Vetter. Due Zuneigung des Jungen mag sich nicht so leicht erweitern lassen, wenn er nichts anderes als Zuneigung zurück bekommt.“ Bilbo nickte gedankenvoll und nahm einen kräftigen Schluck. Esmie wurde langsam wütend. „Noch besser, wieso tust du nicht jedermann einen Gefallen und beißt ins Gras, Beutlin. Erspar uns all deine wilden Geschichten, deine Lügen und elenden Lieder“, Bilbo lächelte breit, „und stirb, wie man es von dir erwartet.“ Esmie hörte auf, ihn zu beschimpfen und starrte ihn an. Bilbo saß einfach da, nippte an seinem Brandy und schmunzelte. Nach einer Minute rauschte sie hinaus.

Er leerte sein Glas und stellte es sorgsam auf das Tablett zurück. Er fühlte sich älter als seine neunundneunzig Jahre. Wieder hatte er sich unter den Baum gesetzt und der Spinne gestattet, ihn halb in ihr Netz einzuweben, ihm zu zeigen, wie sie arbeitete und was sie benutzte, um ihre bedrohlichen Fallen zu ersinnen. Du hast deine Spuren gefunden, Bilbo. Jetzt ist es Zeit, das Netz durchzuschneiden und einmal mehr die stechende Fliege zu sein.


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