Von denen, die zurückbleiben (Those who remain)
von Marnie, übersetzt von Cúthalion

„Mach, dass du rauskommst, Sam.” sagte Rosie. Sie stand unter dem Mauerbogen vor der Küche, die Hände in den Hüften, Mehl an den Fingern und einen finsteren Ausdruck in ihrem hübschen Gesicht. „Du hast wieder diesen Blick, und frische Luft wird dir gut tun.”

„Ich bin nicht...“ Er setzte die kleine Elanor mit schuldbewusster Erleichterung ab, ein wenig verärgert darüber, dass seine Frau sich nicht von seinen Vorspiegelungen der Normalität hatte narren lassen. „Ich will nicht darauf herumreiten, Rosie, nur...“

„Ich weiß genauso gut wie du, was wir heute für einen Tag haben. Na los. Da ist dieses neue Beet, das bepflanzt werden muss. Ich habe den Tee auf dem Tisch, sobald es dunkel ist.“

„Dankeschön.“

Im Türrahmen hielt er inne und schaute zurück auf ihr teilnahmsvoll verdunkeltes Gesicht. „Ach, Sam...“ sagte sie endlich. „Kannst du denn nie aufhören, dir Sorgen zu machen? Werden wir ewig damit zu tun haben?“

„Ich weiß nicht, Mädel.“ Er zog seine Gartenstiefel an und nahm den Spaten, der – wie immer – gleich neben der Tür lehnte. „Ich hoffe nicht.“

*****

Es war eine Stunde später, und er kniete neben dem letzten Busch. Er klopfte die Erde fest und setzte sich nach hinten auf die Fersen, um an die Gießkanne zu kommen. Die neue Rosenrabatte sah richtig hübsch aus, ob wohl es keine gute Jahreszeit zum Pflanzen gewesen war und er nicht wusste, ob die Sträucher blühen oder absterben würden. Absterben, wahrscheinlich. Weil ich die Gabe dazu nicht mehr habe. Nicht, seit...

Es gab Zeiten, wo selbst die gute saubere Erde an seinen Händen ihn an den Schmutz von Mordor erinnerte; und heute vor allem brachten die geliebten Gesichter seiner Familie lediglich den gehetzten Blick in den Augen von Herrn Frodo zu ihm zurück, den er gehabt hatte, als er an Bord des Schiffes nach Valinor ging. Es war die erste Wiederkehr des Tages, an dem Frodo fortsegelte von Volk und Familie, scheinbar dem Tod entgegen... und heute konnte Sam sein eigenes Glück nicht ertragen.

Der Tag verdunkelte sich zum Zwielicht, und die Rosen strömten eine betäubende Süße aus, stärker noch als die Kräutergärten im weit entfernten Gondor. Das Leben im Auenland war gut, und nach allem, was geschehen war, war es nicht gerecht, dass Herr Frodo nicht hier war und seinen Anteil daran hatte.

Ich habe mich darauf gefreut, unsere Kinder gemeinsam aufwachsen zu sehen. Er hätte ihnen das Lernen aus Büchern beigebracht, und ich ihnen die Pflanzen und wir hätten bis zum Ende unserer Tage glücklich zusammen gelebt, so wie es in Herrn Bilbos Buch heißt. Warum musste das nach all meiner Mühe zunichte werden?

Manchmal glaubte er nicht, dass irgendetwas, das er anfing, je wieder gedeihen würde. Nicht nachdem er auf der Fahrt mit dem Ring so furchtbar versagt hatte.

„Mae govannen, Sam Gamdschie.“

„Um Himmels Willen!“ Der plötzliche Klang der Stimme – Stahl und Silber – ließ sein Herz taumeln, wie es das seit Mordor nicht mehr getan hatte. Sam fand sich selbst auf den Beinen wieder, wie er mit offenem Mund den hoch aufragenden, verhüllten Schatten anstarrte, der inmitten der nickenden Glockenblumen in seinem Vorgarten aufgetaucht war, ohne jedes Geräusch und so mühelos wie ein Traum.

Der Schrecken verging, und auf der Stelle spürte er – wie immer in der Gegenwart von Elben – wie sich seine Lebensgeister hoben, als sei die Welt erneuert worden.

„Legolas?“

„Nein.“ Die Gestalt nahm die Kapuze ab und Haar in der Farbe von mithril und Mondlicht ergoss sich glänzend aus ihren Falten. „Ich bin es.“

Das kann nicht sein! Der hochgewachsene Elb war in Reisekleidung von schlichtem Lóriengrau gehüllt, mit einem Bogen auf dem Rücken und die silbernen Griffe von zwei langen Messern – glatt von Jahrhunderten des Gebrauchs – auf seiner Schulter. Er trug einen Stern auf der Stirn, aber kein anderes Zeichen des Königtums. Er hätte beinahe als einfacher Waldelb durchgehen können, wäre nicht die Schärfe und Tiefe in seinem Blick gewesen. „Herr Celeborn? Ich kann nicht... Wie...?“ Was mache ich jetzt bloß?

Sam konnte sich gut an das Reich von Lórien und seinen Glanz erinnern. Und er ist so was wie der oberste Elb, jetzt, wo Elrond weg ist. Ich glaube nicht, dass es genug Geld im Auenland gibt, um ihn anständig willkommen zu heißen. Lieber Himmel!... Was macht er in meinem Garten?

„Frieden, Sam.“ Es war schwer zu sagen, was die herrschaftlichen Elben dachten, aber Celeborn schien amüsiert zu sein. „Darf ich nicht einen der größten Helden des Dritten Zeitalters besuchen?“

„Meint Ihr mich?“ Sam machte eine große Anstrengung, nicht unwillkürlich neben sich nach Frodo Ausschau zu halten. „Nun, Herr, ich nehme an, Ihr könnt tun, was immer Ihr wünscht, aber... Euer Volk? Ihr seid doch sicher nicht allein gekommen?“

„Ich habe auch jetzt meinen Haushalt bei mir, obwohl deine Augen ihn vielleicht nicht sehen. Ich dachte, ich sei schlecht beraten, das Auenland mit großem Prunk zu betreten.“

„Die Leute hätten gedacht, das Ende der Welt sei gekommen.“ stimmte Sam benommen zu. „Ich weiß nicht, wo wir Euch unterbringen könnten... irgendwie kommt es mir falsch vor, dass ein Elbenfürst und sein Hofstaat im Grünen Drachen absteigen.“

Celeborn lachte so leichthin, als wäre er wahrhaftig der Waldelb, der er zu sein schien. „Ach, dass ich dieser Erfahrung beraubt sein soll! Wir werden dich nicht mit unserer Unterbringung belasten... denn heute Abend möchte ich mit dir sprechen, und morgen früh werde ich unangekündigt zu den Anfurten abreisen.“

„Ihr werdet Mittelerde doch nicht verlassen, Herr?“ Die Erwähnung der Anfurten brachte all das zurück – das Versagen, die Tatsache, dass die Welt trotz all seiner Bemühungen welkte wie Schwarzwurzeln im Frost. Alles was schön ist, vergeht, und ich kann es nicht sicher bewahren.

„Nicht ich.“ Etwas an dem Grimm in der Stimme des Elben machte, dass Sam den Kopf hob. „Ich werde meine Heimat nicht preisgeben, so lange ich noch Atem oder Kraft habe, sie zu verteidigen. Was soll’s, wenn ich mich gegen die Gezeiten des Schicksals auflehne? Habe ich nicht mein Leben lang das selbe getan?“

Tatsache war (wie Sam dachte), dass er sehr wenig von dem verstand, was Herr Celeborn sagte, aber da war irgendetwas an seinem Tonfall – die finstere Entschlossenheit, bis zum bitteren Ende zu kämpfen, und vielleicht noch weiter – die ihn an sich selbst erinnerte. „Wo Leben ist, da ist auch Hoffnung, wie mein Ohm sagt.“ murmelte er vor sich hin, so wie er es Herrn Frodo auf ihrer Fahrt so oft gesagt hatte. Und indem er den alten, abgenutzten Trost anbot, fühlte er sich ein klein wenig besser.

„Er ist weise.“ Celeborn langte nach unten, um eine der halb geöffneten Blüten zu berühren, und sein grimmiger Ausdruck wurde sanfter. „Nein, wir werden nur ein paar Handelsangelegenheiten mit Círdan zum Abschluss bringen – und ich hatte den Wunsch, das Meer wiederzusehen. Aber es kam mir in den Sinn, dass du und ich diesen Jahrestag gemeinsam durchwachen sollten. Denn wir teilen eine Trauer miteinander, die niemand sonst in dieser Welt begreifen wird.“

„Davon weiß ich nichts.“ Verblüfft und angesichts dieser Freundlichkeit von schwacher Ehrfurcht erfasst, scharrte Sam mit einem abgetragenen Stiefel in der Erde und wandte den Blick ab.

„Dann geh mit mir, Samweis, und wir werden darüber reden.“

******

Der Mond war aufgegangen, ein Halbkreis aus Elfenbein in einem Himmel, der eingefangen war zwischen Blau und Abenddämmerung. Der Bühl versank in der Entfernung, von schwachem Nebel verschleiert, und, aufglimmend zwischen den Wolken, ritt Eärendil auf der Abendbrise, um zwischen den Zweigen des Festbaumes zu leuchten.

In einer Höhle am Weg teilte sich ein Vorhang und hing sofort wieder still, als Celeborns ruhiges, aufmerksames Gesicht sich in seine Richtung wandte. Ein Schimmer wie von Mondlicht lag um ihn her, ein unheimlicher und zugleich schöner Anblick, gerade recht, um den Blick eines wichtigtuerischen Hobbits einzufangen. Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte Sam. Das wird den Großvätern im Efeubusch was zum Nachdenken geben.

Sie kamen aus dem Dorf heraus, wandten sich von der Straße ab und traten unter den Schatten der Bäume. Hier, wo keine neugierigen Augen sie beobachteten, bemerkte Sam hie und da Bewegungen, die bewiesen, dass sie von schönen und tödlichen Wachen eskortiert wurden. Sternenlicht auf bleichem Haar, die Form eines Bogens, die sich kurz gegen den Himmel abzeichnete, ein leises Lachen im Schatten.

Orophin von Lórien trat aus der Dunkelheit, mit der selben Lässigkeit, die der Elbenfürst gezeigt hatte, als er im Garten auftauchte. Celeborn sprach kurz in seiner eigenen Sprache mit ihm, und mit einer Verbeugung in einem Lächeln für Sam führte er den Rest seiner Kompanie von dannen. Nach kaum einem Schritt verschwanden sie, als hätte es sie nie gegeben. Außer dem Wind in den Zweigen regte sich nichts mehr.

Sterne schienen über der Lichtung, und Sam warf sich nieder in das Gras, erfüllt von schmerzlicher Sehnsucht nach den langen Tagen des Reisens mit Herrn Frodo... diese Tage, bevor der Weg so dunkel wurde.

„Es ist nicht recht von mir, mich einsam zu fühlen.“ sagte er fest. „Ich bin nicht der einzige, der im Krieg einen Freund verloren hat. So seltsam ist mein Kummer nicht.“

„Würdest du eine Bogenschusswunde mit der selben Medizin behandeln wie ein gebrochenes Bein?“ Celeborn klang streng. „Denk nicht, alle Wunden wären gleich, Meister Gamdschie... oder wie willst du sie richtig heilen?“ Seine Sanftheit hatte einen gnadenlosen Beigeschmack, scharf wie seine Messer. „War nicht Frodos Abreise von den Anfurten eine Kleinigkeit gegen den Verlust, den du sogar schon spürtest, noch bevor du Lórien betreten hast?“

Sam stockte der Atem. Woher weiß er das? Merry und Pippin hatten ihn angesehen, als mache er viel Lärm um nichts, wenn er versuchte, es ihnen zu erklären. „Denk daran, als wäre er in den Ferien, Sam.“ Frau Arwen, die Frodo einen Edelstein gegeben hatte, um ihm durch die dunklen Zeiten zu helfen, hatte nicht an Sams Bedürfnisse gedacht. Selbst Elrond hatte es nicht gesehen. Sam hatte begonnen, daran zu zweifeln, ob sein eigenes Herz ihm die Wahrheit sagte... bis jetzt.

„Genau das ist es. Als ob ich ihm schon den ganzen Weg hindurch verloren hätte. Seit wir von Hobbingen aufgebrochen waren, konnte ich ihn nicht mehr halten. Ich weiß nicht, wie Ihr das wissen könnt, Herr, aber... ja, das ist es.“

Celeborn hatte seinen Mantel über einem niedrigen Eichenzweig ausgebreitet und saß dort, von verblassenden Blättern bedeckt. Sein Gesichtsausdruck spiegelte den wieder, den Sam auf dem Gesicht vom Legolas gesehen hatte, als Gandalf fiel. „Ich weiß es, Sam, weil ich es dir angesehen und es wiedererkannt habe als etwas, das wir miteinander teilen. Ich kenne sie gut, die hoffnungslose Trauer darüber, geringere Macht zu haben über diejenige, die ich liebe, als die Macht, die sie selbst trägt. Bin ich nicht der nahe Gefährte einer Ringträgerin gewesen? Wie du konnte ich nur zusehen, wie er seine Veränderungen an ihr bewirkte. Wie du habe ich sie am Ende, als alles gewonnen schien, verloren.“

„Es ist nicht richtig!“ Sam hatte nicht in den Schmerz eines anderen hineinschreien wollen, aber es brach aus ihm heraus, als hätte es schon zu lange darauf gewartet, gehört zu werden. „Nach allem, was wir durchgemacht haben, nach all meiner Mühe und Arbeit... und jetzt ist er nicht hier, um den Preis mit mir zu teilen. Es ist nicht richtig!“ Seine Kehle wurde ihm von Tränen eng. „Und jedes Mal, wenn mich jemand ehrt oder einen großen Helden nennt – bitte um Verzeihung, Herr - dann fühl ich mich wie ein Betrüger. Denn es war Herr Frodo, der die Hoffnungen den Großen Leute zum Berg getragen hat. Ich hatte bloß eine Sache zu tun, und das war, ihn sicher heimzubringen, und ich hab versagt. Ich hab versagt!“

Das war die Wahrheit, die er Merry oder Pippin nie hatte begreiflich machen können, die Wahrheit, die immer tiefer in ihn hineingetrieben worden war – wie ein Stück Morgulklinge – jedes Mal, wenn Frodo verzweifelte, jedes Mal, wenn Frodo sich nach seinem verlorenen Ring verzehrte und klagte, dass Mittelerde öde sei für ihn. Nein, sogar noch davor... jedes Mal in Mordor, wenn er Sam behandelt hatte wie einen Fremden, oder wenn er zu Gollum gesprochen hatte wie ein mächtiger Herr des Schicksals... und Sam wusste, dass er schwächer wurde, und was immer seinen Platz einnahm, Sam würde nicht mehr von Nutzen für ihn sein als eine Ameise für einen Menschen.

„Wenn es ein Versagen war, dann haben wir beide versagt.“

Sam war daran gewöhnt, dass die Leute ihm sagten, wie wunderbar er sich geschlagen hätte. Das erdrückte ihn. Celeborns klare Sprache, sein Reden über das Versagen war wie ein Nachhausekommen – eine Erleichterung, dass er nun aufhören konnte, sich zu verstellen und die Dinge so sehen konnte, wie sie waren. Zu seinem Erstaunen merkte er, dass er weinte, ohne sich um den Herrn aller Elben in Mittelerde zu kümmern; der sah ihm still zu, wie er nach seinem Taschentuch tastete, um sich die heftig laufende Nase zu wischen. „Ich hätte durchhalten sollen. Es hätte etwas anderes geben müssen, was ich hätte tun können.“

Der Anfall ging vorbei und Sam blickte auf, beschämt von seinem Ausbruch und doch erleichtert. „Es tut mir leid, Herr... ich... es ist bloß...“

„Eine Entschuldigung ist nicht nötig, Sam. Ich bin froh, dass das Gift dich verlässt.“

Der Himmel über der Waldwiese war jetzt dunkel und voller Sterne, so strahlend, dass das Gras, auf dem Sam saß, immer noch grün erschien. Er schlang die Arme um seine Knie und zog sie dicht an sich heran, lang genug frei von Verzweiflung, um klarer darüber nachzudenken, was gesagt worden war. Er hatte keine Ahnung, wieso Celeborn sich so weit herablassen wollte, um zu behaupten, dass er irgend etwas mit Sam gemein hätte, geschweige denn ein Versagen. Es war schwer, darüber nachzudenken, obwohl... noch schwerer war es, zu glauben, dass er log.

Das stille Gesicht des Elben war ernst und unmenschlich, so fern und doch mit solcher Schärfe gegenwärtig wie die Sterne.

„Ich dachte, der Ring der Herrin sei gut?“ sagte Sam zögernd, tastend um Verständnis bemüht. „Sie hat doch sicher nicht ertragen, was Herr Frodo ertrug... nicht all diese Zeit?“

Aber er erinnerte sich unwillkürlich an sie auf der Lichtung des Spiegels, wie sie sagte, dass sie lange begehrt hatte, den Einen Ring an sich zu nehmen... wie sie sich in eine Königin der Verzweiflung verwandelt hatte – schön, furchtbar und tödlich. Er hatte vergessen, dass sie gesagt hatte, dass sie Ihn wollte.

„Die Elbenringe wurden nicht von Sauron gemacht, das ist wahr.“ Celeborn lehnte seinen Kopf an den Baumstamm und schloss die Augen, als würde er von Erinnerungen bedrängt. „Doch wurden sie durch seinen Rat und durch die Nutzung seiner Handwerkskunst geschaffen, und ihre Macht war dem Einen zu eigen. Ihre Stärke war geringer, und sie begannen nicht am Geist ihres Benutzers zu nagen, bevor sie nicht viele Jahre an der Hand getragen wurden.“

Er lächelte bitter.

„Aber meine Herrin trug Nenya für ein Zeitalter der Welt. Immerzu rang sie in Gedanken mit Sauron, sie erschöpfte sich ohne Grund und wurde immer düsterer. Hätte sie ihn nur abgetan, sie hätte in Frieden gelebt – so, wie Elrond es tat, der Vilya nicht berührte, es sei denn in großer Not.“

„Ich dachte... die Grenzen von Lórien... dass sie die mit ihm geschützt hat.“

„In der Tat. Und doch wurde das Reich von Thranduil nur durch den Heldenmut seiner Bogenschützen verteidigt, und es fiel nicht. Es war unnötig, dass sie sich auf den Ring verließ.“

„Habt Ihr das der Herrin gesagt?“ Sam errötete; er erinnerte sich, wie Galadriel ihren Mann zurechtgewiesen hatte, als er unfreundlich mit Gimli sprach. Er hatte sich irgendwie nicht vorgestellt, dass es auch andersherum ging – das Celeborn es wagen könnte, sich ihr entgegen zu stellen. Ich hätt’ mich nicht getraut, ihr zu sagen, dass sie unrecht hat. Man könnte sich an ihr in Stücke schlagen, wie ein Boot an einem Felsen. Plötzlich war er sehr froh, dass er nur ein Hobbit war, und dass er eine Frau von Rosies fröhlicher Süße hatte, zu der er heimkehren konnte.

„Regelmäßig.“ Celeborns schräges Lächeln erstarb schnell. Er fing Sams Blick ein; seine Augen waren so grün wie die Stechpalmen von Eregion. Sie entblößten nicht die Seele, wie die seiner Frau es getan hatten, aber Tausende von Jahren voller Gedanken lagen dahinter, tiefgründig und traurig. „Oft sagte sie zu mir: ,Einen Ring der Macht zu tragen, heißt, allein zu sein.’ Und ich sagte: ,Dann nimm ihn ab, und sei bei mir.’ Aber sie wollte es nicht.“

Du kannst mir nicht helfen, Sam. Das kann niemand.

Sam presste die Augen fest zu; wieder schmerzte seine Kehle. Es muss wahr sein, oder wie kann er es sonst so klar erkennen? Wäre Frodo gestorben... es wäre verheerend gewesen, sicherlich, aber der Tod kommt zu jedermann, und er hätte gewusst, wie er damit umgehen musste. Es hätte keine Schuld gegeben. Ich wäre nicht... wütend auf ihn gewesen. Ich hätte nicht versagt.

Ich gehe allein nach Mordor. Und das war der springende Punkt – dass Frodo wählen konnte, allein zu sein, dass er es brauchte, allein zu sein, während alles, was Sam tun wollte, war, zu helfen. Am Ende hatte er sich der Tatsache gegenüber gesehen, dass seine Liebe und Hingabe nicht ausreichten... nicht einmal, als sie erwidert wurden. Liebe war nichts, das zu der Macht des Ringes passte. Und bedeutete das nicht, dass das Böse stärker war als das Gute? Dass Mordor die Wirklichkeit war, das Auenland aber nur Einbildung?

„Wie ich mich fürchtete...“ Die Musik der Elbenstimme verlor sich in Unsicherheit. „Als ich euch Zutritt nach Lórien gewährte. Ich konnte kaum atmen vor Schreck; ich wusste, der Eine Ring war in Reichweite meiner Herrin... ich vertraute darauf, ohne völlig sicher zu sein, dass sie seiner Versuchung nicht unterliegen würde.“

Dieser neue Einblick schreckte Sam aus seiner Verzweiflung auf. Er hatte immer an Lórien gedacht als an einen Ort der Sicherheit, wo das Volk unter dem Segen lebte und durch nichts beunruhigt werden konnte. Etwas anderes herauzufinden war, wie nach Moria hineinzugehen – einen solchen Schrecken und eine solche Pracht zu entdecken, wie er sie sich nie hatte vorstellen können. Was für ein Schwachkopf du bist. Sam. Den Kopf zu voll mit deinen eigenen Angelegenheiten. Du hast alles verpasst. „Ich wundere mich, warum Ihr ihn dann überhaupt hereingelassen habt!“ sagte er entsetzt.

Belustigung flackerte kurz auf in Celeborns Augen. „Ich weiß nicht, wie es bei den Hobbits ist, aber bei den Elben fordert ein Gatte nicht den Gehorsam seiner Frau. Sie hatte das Recht, sich dieser Probe zu stellen... ich hatte nur das Recht, Rat zu erteilen und zu hoffen. Nebenbei... deine Gemeinschaft brauchte Hilfe. Ich wollte Sauron nicht den Sieg über mich geben, indem ich zuließ, dass die Furcht meine Taten bestimmte. Und doch erzitterte mein Herz, als ich Euch begrüßte.“

„Das habt Ihr gut versteckt, Herr.“

„Ich war nicht so höflich, wie ich hätte sein können.“

„Tatsache ist...“sagte Sam, überrascht von einem blitzartigen Gefühl der Kameradschaft. „... das gefiel mir ziemlich, Herr. Es erinnerte mich an meinen Ohm. Er nennt das Kind beim Namen. Ganz schön geradeheraus ist er, aber du weißt, woran du mit ihm bist.“

Celeborn lachte. „Dann werde ich in Zukunft rüder mit dir umgehen, wenn es dir so gefällt, Meister Gamdschie.“

Sam lachte ebenfalls, und er dachte daran, wie sich Rosie darüber freuen würde, das zu hören. Sie würde jetzt daheim sein und versuchen, darauf zu achten, dass Klein-Elanor ihre Sprossen aufaß, bevor sie nach Pudding verlangte. Sie würde...

Er sprang auf. Es ist schon lange ganz dunkel. Und Rosie hat gesagt... „Ach du lieber Himmel! Mein Tee!“

Zu spät erinnerte er sich daran, mit wem er sprach. Der Herr von Lórien hatte geruht, ihn zu besuchen, er hatte versucht, ihn zu trösten - und er benahm sich, als wäre sein Abendessen wichtiger. Er ballte die Fäuste, wütend auf sich selbst, weil er Ärger verursachte. Ich brauche Herrn Frodo... er hätte gewusst, was man sagen muss. Er wäre nicht hin- und her gerissen dazwischen, seine Frau zu plagen oder einen Fürsten zu beleidigen.

„Ich wollte dich einladen, mit uns zu Abend zu essen.“ Die Stimme von Herrn Celeborn war milde und schwer zu deuten. „Aber ich sehe, du hast Dringenderes zu tun.“

Sam Gamdschie, du bist nichts weiter als ein Schwachkopf! Er lieferte sich der Gnade des Fürsten aus. „Es tut mir leid, Herr, ich hab nicht mehr Manieren als ein Ork. Aber es ist Rosie, wisst Ihr? Sie weiß, ich war schlecht beieinander, und jetzt bin ich verschwunden. Was wird sie bloß denken?“

„Das du zürückkehrst, wenn du soweit bist?“

Sam schüttelte den Kopf wie ein von Fliegen geplagtes Pferd. „Hobbits ticken nicht so, Herr – bitte um Entschuldigung – wir haben keine Zeit zum Warten, so wie Ihr. Sie wird außer sich sein vor Sorge. Ich muss nach Hause gehen.“

Peinlich genau nach Anzeichen der Verdammnis Ausschau haltend, sah Sam statt dessen den leichten Anhauch geheimer Belustigung. Elrond hatte ihn mit dem selben Blick bedacht, als er in den Rat hineingeplatzt war, um seinen gerechten Platz an Frodos Seite zu beanspruchen. Er war nicht sicher, was dieser Blick bedeutete... außer, dass seine Taktlosigkeit nicht gegen ihn verwendet wurde. Und das ist gnädig genug von den Elben. Richtige Erbsenzähler können sie sen, wenn’s um gutes Benehmen geht. Es schien, als sei seine Unverschämtheit nur als ein weiteres Zeichen seines Einfühlungsvermögens gewertet worden.

Der Fürst von Doriath erhob sich leise und hüllte sich in seinen Umhang. „Ich werde mich hüten, zwischen einen Ehemann und seine Frau zu geraten. Und doch gibt es noch mehr zu sagen. Ich werde mit dir zurückgehen.“

*****

Sie wanderten eine Weile schweigend; Sam war es zufrieden, langsam zu gehen, jetzt, da er seine Erklärung mit nach Hause brachte. Endlich seufzte Celeborn und sagte: „Obwohl sich unsere Situation unterscheidet... sind sie nicht ähnlich genug, dass du meine Worte beherzigen würdest?“

„Ich würde mir alles anhören, was Ihr mir sagt, Herr!“

„Aber du glaubst vielleicht, ich hätte nicht wirklich verstanden.“

Sam dachte an sich selbst auf der Lichtung, klagend wie ein Kind mit einem aufgeschlagenen Knie – etwas, das er Rosie nicht erzählen würde. „Oh, Ihr habt mir das richtig genug erklärt, Herr. Ich kann’s nicht leugnen.“

Celeborn hielt an. Sie standen jetzt auf der Brücke über der Wässer, und obwohl gelbe Lichter aus allen Fenstern in Wasserau schienen, zersplitterte der Sternenschein auf der Wasseroberfläche. Eine große Stille sank nieder um sie beide. „Dann achte auf das, was ich jetzt sage, Samweis Gamdschie.“ Zum ersten Mal sprach der Elbenherr wie ein König – unbeirrbar und streng. „Ich sage dir, dass du nicht versagt hast.“

Dunkelheit erfasste Sams Herz, ohne alle Vernunft, aber fürchterlich, wie die Verzweiflung, die er beim bloßen Anblick von Barad-dûr empfunden hatte. „Doch, habe ich!“ Er wandte sich ab und schaute auf den ausgetretenen Schlamm der Straße hinunter. „Ihr hättet Eure Herrin vielleicht an den Punkt gebracht, wo sie ihn aufgeben konnte – ich nicht. Nach all meiner Mühe hat er trotzdem Ihn gewählt. Er hat Ihn für sich beansprucht. Frodo hat versagt, und ich habe versagt, als ich ihm helfen wollte. Lange Rede, kurzer Sinn – das könnt Ihr nicht wegreden, Herr.“

„Sei kein Narr, Sam!“ Celeborns schöne Stimme war kalt wie behauener Marmor. „Es gibt genug Schuld in der Welt, auch ohne sich die Unwahrheit auf die Schultern zu laden.“

Sam blickte zögernd auf und sah ihn düster auf das Wasser niederstarren, das in dem Licht, das ihn umgab, gedämpft aufglänzte. Im nächsten Moment hatte der Elbenfürst einen Schritt auf ihn zu gemacht, von Ungeduld lodernd, und voller Gewissheit. Es war, als sei ein Schleier gefallen und die Kreatur, die Sam so traurig und sanft vorgekommen war, hätte sich vor seinen Augen in etwas Legendäres verwandelt – einen Helden des Ersten Zeitalters. Hin- und her gerissen zwischen Entsetzen und einer Art schwindelndem Entzücken, schreckte Sam zurück.

„Ich sage dir, Sam, du warst der Stärkere. Ohne dich wäre Frodo nicht einmal über den Emyn Muil gekommen. Deine Liebe war das Einzige, das ihn weit genug gebracht hat, bis hin zu seiner eigenen Erlösung... damit er beides retten konnte, sich und die Welt. Als er gestorben wäre, hast du ihn zurück gebracht. Dass er immer noch lebt und langsam zur Freude zurückfindet, das ist dein Werk. Hör mir zu, Samweis. Du hast nicht versagt. Du hast triumphiert.“

Sam wankte unter dieser furchteinflößenden Lobpreisung. Die Rückseite seiner Knie stießen gegen das Brückengeländer und er setzte sich schwerfällig hin. Er bedeckte das Gesicht mit den Händen und weinte. Lass es wahr sein! Liebe Güte – was, wenn es wahr ist? Während die Tränen fielen, spürte er, wie die Qual in seiner Brust sich löste. Vielleicht hatte er gar keine Schuld? Vielleicht war Liebe am Ende doch größer als das Böse. Vielleicht, nur vielleicht, hatte Sam genug getan. Zum ersten Mal seit dem Feld von Cormallen gab er es auf, sich an seine Scham zu klammern. Kein Grund, sich an etwas so Schwerem festzuhalten, etwas so Unerwünschtem. Nicht, wenn es nicht wahr ist. Zuletzt schaute er auf, die Augen geschwollen, und er sprach das einzige aus, was sich nicht geändert hatte: „Ich vermisse ihn.“

Celeborns Zorn war vergangen, schnell wie ein plötzliches Gewitter. Er lächelte betrübt. „So, wie ich Galadriel vermisse. Aber ist es nicht genug für uns zu wissen, dass sie an einem Ort sind, wo sie Frieden finden werden? Sicherlich möchtest du doch lieber, dass Frodo geheilt ist, als dass er bei dir bleibt und trauert?“

„Ich nehm’s mal an. Aber es ist grausam hart."

„Das ist es, Sam. Ja, das ist es.“

Sam rieb sich die nassen Hände an der Jacke trocken. Er fühlte sich irgendwie erneuert, obwohl er noch immer sehr erschüttert war. „Ich fühl mich.... besser, Herr. Aber – Lieber Himmel! Ihr habt mich zu Tode erschreckt!“

Der Elbenfürst lachte, obwohl die Trauer in seinen Augen anhielt. „Ich bin kein Heiler wie Herr Elrond. Ich bin ein Krieger, und meine Hand ist unsanft. Also, wenn du nicht nach weiterer Medizin verlangst, dann solltest du dich an das erinnern, was ich gesagt habe.“

Sam schnaubte mit unerwartetem Humor, dann wurde er still. Scheu sagte er: „Mir ist lieber, dass du wütend auf mich bist, Herr, als in einer Welt zu leben, wo es überhaupt keine Elben gibt.“

„Sei ganz ruhig, Sam. Denn ich und mein Volk gehen nirgendwo hin. Die Verbannten aus Valinor sind in ihre Heimat zurückgekehrt, aber für diejenigen von uns, die den Ruf nie beachtet haben, ist dies unser Zuhause, und wir werden es nicht aufgeben. Es wird immer Sindar, Silvan und Avari in den Wäldern von Mittelerde geben... für die, die sie sehen können."

Dann werden die Rosen vielleicht am Ende blühen, dachte Sam und wandte sich mit größerer Zufriedenheit in Richtung Beutelsend, als er es dieses ganze Jahr über getan hatte. Und vielleicht reicht es zu wissen, dass ich ich mich Frodo anschließen darf, wenn meine Arbeit hier getan ist. Selbst wenn Rosie nicht mitkommen kann, werden wir alle bald genug wieder beisammen sein. Er betrachtete neugierig seinen Gefährten – das schöne junge Gesicht, ungezählte Tausende von Jahren alt – und er fragte sich, wie es wohl war, wenn man diese Hoffnung nicht hatte, um sich darauf zu freuen.

„Die Elben nennen den Tod ein Geschenk, nicht wahr? Ihr rechnet wohl damit, dass das Ende unseres Lebens glücklich sein wird...“

Celeborn zog seinen Mantel um sich zusammen, als sei ihm kalt. „Wir wissen nichts von der Bestimmung der Menschen.“sagte er. „Aber wir wissen, dass der Eine, der die Welt erschuf, gut ist, und deshalb muss auch jedes seiner Geschenke gut sein. In letzter Zeit hat es ganz sicher Augenblicke gegeben, wo ich Euch um dieses Geschenk beneidet habe.“

„Oh.“ Sam fühlte sich wie ein Narr und dachte angestrengt nach, um etwas zu finden, was er dazu sagen sollte. Er grübelte immer noch, als die Straße einen Bogen um den Bühl machte und Beutelsend in Sicht kam; und Rosie stieß das Gartentor auf und kam auf ihn zugestürmt wie Herr Merry im Angesicht einer Horde Orks. „Sam Gamdschie, wo bist du gewesen! Ich habe solche Angst gehabt!“

Ihre tränenverhangenen Augen richteten sich endlich auf seinen Gefährten, und sie wurden rund wie Untertassen. Sie schlug die Hände vor den Mund, um ein kleines Quieken zu unterdrücken, und Sam musste ein Lächeln herunterschlucken – Rosie würde es nicht schätzen, wenn er über ihren Schrecken lachte.

„Rosie, das ist Celeborn, der Herr von Lórien, Fürst aller Elben von Mittelerde. Er ist gekommen, um....“

Aber Rosies Augen hatten sich verengt. Sie schob ihre Locken mit einer abgearbeiteten Hand zu Seite. „Es ist mir gleich, wer das ist. Hast du nicht genug getan, Sam Gamdschie?“ Sie umkreiste Celeborn wie ein Spatz, der einen Habicht von seinem Nest verscheucht. „Ihr großen Leute habt genug von ihm gehabt. Lasst ihn jetzt in Ruhe. Er wird nichts mehr für euch tun.“

„Rosie!“ schrie Sam, zu Tode erschrocken. „Sprich nicht so mit ihm! Er ist...“

„Sag du mir nicht, was ich tun soll, Sam Gamdschie! Ich rede mit jedermann, wie ich will. Wie können sie nur...“

„Rosie...“Er nahm sie bei den Armen und versuchte, sie zu beruhigen; die ganze Zeit war sich bewusst, dass sein häusliches Dasein dem Fürsten wie ein Desaster vorkommen musste. So hätte die Vorstellung nicht laufen sollen. „Rose. Er kam, um mir zu helfen. Erinnerst du dich nicht mehr, was ich dir erzählt habe? Seine Frau war mit Frodo auf dem selben Schiff.“

Ihr Feuer erlosch auf der Stelle, und wieder schlug sie die Hände vor den Mund. Sam gratulierte sich selbst zu seiner Erfahrung – nichts zog die Mädels so sehr an wie eine Erzählung von schicksalhafter Liebe. „Ich bin so...“ sagte sie. „Ich dachte, als Sam verschwand... Ich war so...“

Alle Trauer war aus Celeborns Gesicht gewichen. Er lächelte. „Ich sehe, wir haben auch den Heldenmut und die Furchtlosigkeit unserer Herrinnen gemeinsam. Du kannst dich wirklich glücklich schätzen, Sam.“

„Das weiß ich, Herr.“ Sam lachte und Rosie schaute ihn an, als sähe sie die Dämmerung nach einer langen Nacht. Tränen und Zorn gleichzeitig wegschnüffelnd, strich sie ihre Röcke glatt. Dann nahm sie sich mit einer großen Anstrengung zusammen und schaute auf in die Augen des Elbenfürsten. „Ich... ich wusste es nicht. Es tut mir leid. Ich fühl mich richtig geehrt, dass Ihr gekommen seid, um mit meinem Sam zu reden. Ich hoffe, es hat geholfen.“

„Das hat es, Frau Gamdschie. Mein Herz ist dadurch leichter geworden.“

Auch das war eine Überraschung für Sam. Ich hab ihm geholfen? Aber ich hab doch gar nichts gemacht!

„Es tut mir leid, dass Ihr eure Herrin verloren habt.“ Rosie hatte jetzt wieder klare Augen; sie waren nachdenklich und voll von der tiefen Einsicht, die Sam so an ihr schätzte. „Habt Ihr nicht daran gedacht, mit ihr zu gehen?“

„Viele Male. Tatsächlich könnte ich selbst jetzt noch segeln, wenn ich es wünschte. Aber ich habe mich entschieden zu bleiben, genau wie Sam.“ Es tat Sams Herzen wohl zu sehen, dass Celeborn Rosie mit ernsthaftem Respekt behandelte. Sogar das Hohe Volk sieht ihren Wert. Aber es gab Grenzen bei dem, was zu einem solch hohen Elbenfürsten sagen durfte, und, wie Sam halb und halb gefürchtet hatte, überschritt Rosie sie.

„Sam hat mich, Herr, und Klein-Elanor. Was habt Ihr?“

Rosie! Sam krümmte sich innerlich angesichts ihrer Kühnheit, aber da war nur eine Spur von Bitterkeit in Celeborns Lächeln. „Ich habe mein Land und mein Volk. Das ist genug... gerade eben.“

„Für mich klingt das traurig... wenn es Euch nichts ausmacht, dass ich das sage.“

„Es ist traurig, Rosie, und ich zähle dich zu den Gesegneten, dass du dies nicht erleiden musst. Aber ich habe Hoffnung.“

Der Elbenfürst schenkte ihr ein Lächeln, das sie erröten und ihr Gesicht abwenden ließ.

„Selbst wenn ich dieses Land nicht verlasse,“ sagte er, „wird eines Tages die Welt enden. Und danach – wer weiß? Manche haben gesagt, die Elben würden völlig vernichtet werden, aber dass lässt sich für mich schwer mit dem Charakter von Ilúvatar vereinbaren, und ich glaube, dass die Welt neu gemacht werden wird. Dann werde ich vielleicht meine Frau wiedertreffen, in einem Land, das wir beide lieben können. So lange es diese Hoffnung gibt, kann ich das Warten ertragen.“

Rosie schwieg. Celeborn wandte sich wieder Sam zu und sagte ihm Lebewohl. „Und erinnere dich daran, Sam... solltest du jemals deine Tochter mitnehmen wollen, um die Elben zu sehen, dann wirst du willkommen sein, in Bruchtal oder in Lórien, oder in Eryn Lasgalen... wo auch immer ich Einfluss habe.“

Er drehte sich um, eilte zur Straße hinunter und ging singend in die Dunkelheit hinein. Sie verloren ihn fast sofort aus den Augen, aber noch lange erfüllte seine Stimme die Leere über dem Land mit einer Musik, die trostlos war und doch wunderschön.

Wenn Winter naht und Wald und Hügel eisig kalt durchdringt
Wenn Bäume fall’n, wenn schwarze Nacht den finst’ren Tag verschlingt
Wenn tödlich kalt der Ostwind weht und bitt’rer Regen fällt
Dann ruf ich dich und komm zu dir in deine ferne Welt.

Den Weg, der in den Westen führt, woll’n wir zu zwein ergründen
Zum Land, wo unsere Herzen endlich, endlich Frieden finden.

Es wurde still und Rosie wandte sich um, die Augen voller Staunen und unvergossener Tränen. „Oh Sam!“

„Ich fühl mich besser, Mädel. Sehr viel besser.“

Sie warf ihre Arme um ihn und weinte an seiner Schulter. "Oh Sam... ich bin so froh, dass du zu Hause bist."


Ende


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