... und schwinden nicht dahin (Not fade away)
von Jael, übersetzt von Cúthalion


1.Kapitel
Prolog: 4. Zeitalter, im Jahr 486

In der Schlafkammer ihrer winzigen Hütte am Rand der Fernen Höhen bei den Turmbergen tauchte Iris Schönkind aus tiefen Träumen auf. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und blickte sich in dem verdunkelten Zimmer um; sie wollte sehen, was es war, das ihre Ruhe gestört haben mochte. Sie war eine stolze, vernünftige Frau, die ihre Ahnenreihe bis zu Elanor zurückverfolgen konnte, der Tochter von Samweis Gamdschie, und sie hielt nichts von jener Art leichtsinniger Launen, die sie mitten in der Nacht wach hielten. Alles war ruhig; ihr Ehemann schnarchte friedlich neben ihr, und sie beugte sich nach unten, um die Decke wieder über seine haarigen Zehen zu ziehen. Der Mond nahm zu, und ein Strahl aus bleichem Licht drang durch einen Riss in ihrem Fensterladen. Sie stand von ihrem Bett auf und ging auf Zehenspitzen zum Fenster, von einem Gefühl angezogen, für das sie keinen Namen hatte.

Sie sah, dass ein Heer von Elben über die Höhen vorüberzog, so still wie der Wind im Gras. Kein Gesang war zu hören, und das Geschirr ihrer Reittiere machen kein Geräusch, ebenso wenig wie die Hufe und Schritte auf der Grasnarbe.

An der Spitze des Zuges ritt ein Elb mit bleichem Haar. Sein Gesicht war grimmig, und er trug kein äußerliches Rangeszeichen auf der Stirn; und doch hätte jeder, der die Reisenden sah, seine Führerschaft über die Gruppe erkannt. Ihm zur Seite ritt eine dunkelhaarige Frau, die er mit feierlicher Ehrerbietung und zarter Rücksichtnahme anblickte.

Der Anblick des vorüberziehenden grauen Heeres bewegte Iris dazu, ihre kleine Tochter Margerite zu wecken und zum Fenster zu bringen. „Schau, Kind, da reiten die Elben.“

Das kleine Mädchen lächelte entzückt. „Sie sind so schön! Erinnerst du dich, dass Oma Lily immer so gern die Geschichte erzählt hat, wie sie einmal Elben gesehen hat, die zu den Anfurten geritten sind? Ich hab ihr nicht geglaubt, als sie mir gesagt hat, wie schön sie sind. Aber Mama… wieso reiten diese Elben denn nach Osten?“

Iris schüttelte den Kopf. Wann immer es Elben zu sehen gab – und man hatte sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen – dann ritten sie westwärts zum Meer. Diese Elben ritten davon weg, und auf dem Gesicht jenes Elbenherrn lag ein düsterer Ausdruck, als ritte er in seinen Untergang. Und doch, gleichzeitig war es ein Ausdruck der Hoffnung, eine eigenartige, schicksalsergebene Freude an allem, was auch immer auf ihn zukam. Der Ausdruck sagte: „Nach Hause.“


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