Portraits
von Hyel, übersetzt von Cúthalion

Verwurzelt in harter Erde
(Otho/Lobelia)

Ganz und gar Dornen, sagten sie über sie, und keine Rosen – Otho hatte sie im Wirtshaus gehört, und bei den Ziegenrennen, wo Frauen nicht zugelassen waren; denn wenn Lobelia Straffgürtel sie jemals auf diese Weise hätte reden hören – na, die hätten was auf die Ohren bekommen.

Und es stimmte, Lobelia war keine große Schönheit. Welche Anmut dieses hart gemeißelte Gesicht jemals gehabt haben mochte, sie wurde überschattet von dem harten Glanz ihrer Augen, und sie hatte kaum einmal ein freundliches Wort für irgend jemanden.

Aber Otho hatte sie früher gekannt, als sie noch ein Mädchen war – er wusste, was sie hatte durchmachen müssen, nachdem ihr Vater fort ging und ihre Mutter zu trinken begann, und als es niemanden gab außer ihr, der sich um ihre sechs jüngeren Geschwister kümmern konnte. Sie kümmerte sich mit Härte und hasste sie alle, aber sie kümmerte sich und trank die Armut tief in sich hinein… und kein noch so großes, ererbtes Vermögen würde sie nun vergessen lassen, dass sie einmal Nadeln auf dem Markt verkauft hatte, zur Schau gestellt und dem Mitleid aller ausgeliefert.

Otho hatte Lobelia gekannt, als sie noch ein Mädchen war, und jetzt, als erwachsenen Hobbit, liebte er sie, jede Kante, jedes grobe Wort und jeden Dorn.

Sie war von seinem Schlag.


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Der Weg zum Herzen eines Tuk
(Pippin/ Juweline)

Herbstsonnenschein drang durch die Butzenscheiben in die kleine, versteckte Küche auf der Südseite der Groß-Smials, ein versteckter Winkel abseits der Hektik im Hauptkorridor.

Juweline Nord-Tuk seufzte verärgert.

„Wenn du ihn gleich jetzt hinein tust, dann wird er nie etwas.”

„Wieso nicht? Ich habe lang genug gewartet. Beim ersten Mal muss er nicht vollkommen sein, oder?”

„Ich lasse nicht zu, dass du ihn ruinierst, bloß wegen deiner Ungeduld, Wir müssen ihm Zeit geben, aufzugehen – aber erst wollen wir ihn einfüllen, langsam… hier, lass mich mal.” Sie nahm ihm die Schüssel ab, fing an zu rühren und reichte Pippin das Mehl.

Hinterher gab Pippin großzügig zu, dass sie Recht gehabt hatte… nun, da er den Kuchen im Magen hatte. „Er war das Warten wert.”

„Halt dich an mich, dann wirst du es schon noch lernen.” Juweline tätschelte Pippins wirren Haarschopf. Das war das einzige Anzeichen der Zuneigung, das sie sich gestattete. So viele Dinge mussten erst noch entschieden werden… aber er packte sie an den Schürzenbändeln und zog sie zu sich herunter und zeigte ihr seine Zuneigung überaus deutlich.

Geduld war eine Sache, aber Fortschritt war nicht ganz und gar übel – vor allem, wenn er auf zuckerklebrigen Lippen kam, und wenn man seit Jahren darauf gewartet hatte.


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Diese zwei
(Merry/ Estella)

Als Meriadoc Brandybock anfing, mit Estella Bolger auszugehen, unkte man von Raubzügen und Chaos; man riet den Müttern, ihre leicht zu beeindruckenden Kinder wegzusperren. Im engsten Kreise verbreitete sich ein allgemeines Gefühl belustigter Furcht… tatsächlich unter allen, die die beiden kannten.

Nun war es nicht so, dass sie unbeliebt gewesen wären… Meriadoc war der Held von Wasserau, und während Estella sich weniger Ruhm erwarb, weil sie den größten Teil der Kämpfe verpasst hatte, gewann sie doch Anerkennung als eine Frau, die ihr Schwert und ihren Bogen gut einzusetzen wusste. Aber gemeinsam hatten die beiden Helden einen Hang zum Ärger und den Ruf lockerer Moral.

Doch mit der Zeit kamen Tod und Geburt zu diesem Paar, und es stellte sich heraus, dass nichts einen Rebell so sehr befriedet wie Verwaltungsgeschäfte und Schwangerschaft. Wenigstens für eine Weile wurden die beiden häuslich und zahm, und sie verloren an Unverschämtheit, was sie an Jahren gewannen.

Trotzdem wanderten sie manchmal in die Wälder, wo kein anderer Hobbit hinging, ihre Kindern an den Händen, und sie kamen wochenlang nicht wieder. Ferien nannte Meriadoc das. Sie kamen glühend vor Glück nach Hause, und als die Kinder heranwuchsen, waren sie so tapfer wie die Bienen, und sie waren von dem Hauch einer Stärke umgeben, wie man sie an Orten fand, wohin niemand sonst zu gehen wagte.


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Besondere Tage
(Hamfast Gamdschie/ Bell)

Bell ließ zu, dass Ham seine Söhne auf seine eigene Weise aufzog, und Ham mischte sich nicht in ihre Erziehung der Mädchen. Sie sprachen nie darüber, es kam ihnen einfach richtig und ganz natürlich vor. Als Folge davon war es etwas Besonderes, wenn Ham Margerite und Maie auf die Knie nahm und mit einer seiner langen, verwickelten Geschichten anfing. Sie waren wahrscheinlich nicht ganz das Richtige für die Ohren kleiner Mädchen, aber Bell hätte ihn nicht um alles in der Welt davon abgehalten.

Statt dessen nahm sie die Jungen mit hinaus auf eine Lichtung im Wald; angeblich, um Pilze zu sammeln, oder Feuerholz, und sie verbrachten einen besonderen Tag für sich, sie spielten und lachten und führten sich auf, als wären sie nicht bei Trost.

Auf diese Weise hatten sie alle das Beste ihrer Welt, und manche Tage, die nicht nur aus Zucht und Arbeit bestanden; besondere Tage. Als Bell krank wurde, wurden sie seltener und seltener. Das war eines ihrer größten Kümmernisse.

„Ham, Liebster,” drängte sie Abend für Abend, „erzähl ihnen auch dann noch Geschichten, wenn ich nicht mehr da bin, und sei auch manchmal nett zu den Jungs.”

„Denk bloß nicht, ich würde nicht mein Bestes tun,” brummelte Ham, aber meist war er zu gebrochen, um wirklich zornig zu werden.

Als sie starb, schien es immer noch so, als hätte es nicht genügend Tage gegeben, um einander Lebewohl zu sagen.


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… und das halbe Königreich
(Tolman Kattun/ Lily)

Lily hatte in den Jahren ihrer Mutterschaft die entschiedene, ruhige Ausstrahlung einer Mutter von vielen Söhnen. Ihre Base, Frau Langbein aus Michelbinge, die sie zuletzt als junges Mädchen gesehen hatte, war ziemlich überrascht.

“Du kommst mir wie ein ganz neuer Hobbit vor, meine Liebe,” gestand sie nach dem Tee; sie versuchte, den gestrengen Haarknoten und die kräftige, gesetzte Figur mit dem flatterhaften Mädel zusammen zu bringen, das von Rittern und Helden träumte, und das Tom Kattun geheiratet hatte, weil er fünf Jahre in Folge der Ringkampfmeister von Hobbingen gewesen war.

„Nun ja,” sagte Lily brüsk und strich ihre Schürze glatt, „Hobbits ändern sich.”


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Endlich im Mittelpunkt

(Marigold/ Tom)

Marigold half in Beutelsend aus, seit sie groß genug war, obwohl der Herr – alle beide Herren – dazu neigten, ihr mehr Süßigkeiten und weniger Arbeit zu geben. Sie war nur eine Randerscheinung seines Lebens, ausgeschlossen durch ihr Geschlecht und ihre Jugend, und vielleicht auch durch ihre Schüchternheit: und schüchtern war sie, besonders in der Nähe des exotischen, buchversessenen, wundervollen Herrn Frodo.

Aber solche Schwärmereien vergingen, während man erwachsen wurde, und mit dem Erwachsenwerden kamen wirkliche Jungs und echte Küsse, mit braunen Augen anstelle von eigenartigen Elbenaugen.

Als Tom sie am Abend ihrer Hochzeit auf den Tanzboden zieht, ist sie sich ziemlich sicher, dass es so am besten ist.


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