Die Offizielle Fanfiction-Universität von Mittelerde (OFUM)
von Camilla Sandman, übersetzt von Cúthalion

Kapitel 6
Ein Pfeil im Hintern

Es war ein ziemlich düster gestimmter Samstag in der Studienhalle.

„Ein Tausend-Seiten-Essay!“ beschwerte sich Tex, eine der jüngeren Studentinnen an der OFUM. „Dabei will ich Mittelerde ja nicht einmal übernehmen!“

„Das gilt aber auch nur für dich!“ erwiderte Gami von der anderen Seite der Studienhalle, wo sich die Böse Bande versammelt hatte. Die Studenten fingen bereits an, sich in Gruppen aufzuspalten – da waren die Bösen, die Hobbits, die Möchtegern-Hobbits, die widerum hinter einem oder mehreren der Hobbits her waren, die Aragorn-Weiber, die Slash-Schreiberlinge und ein paar versprengte kleinere Gruppen der Bewunderer von anderen Figuren.

Die größte Gruppe waren die Legolas-Mädels, und Lina gehörte dazu. Natürlich würde jede von ihnen jede andere bei bei der ersten Möglichkeit, Legolas’ Aufmerksamkeit zu erringen, von hinten erdolchen. Eine richtig schöne Liebe und Teenager-Besessenheit, sozusagen.

Aber in einer Sache stimmten sie alle miteinander überein: dass Sauron böse, böse, böse war. Feather betrachtete immer noch düster ihr Haar, das Sauron orange eingefärbt hatte. Jules war ähnlich verdrießlich. Sie hatte in seinem Schnelltest „Wie man aus einem Elb einen Ork macht (in zehn Schritten)“ versagt und er hatte ihr einen Bart wachsen lassen. Einen pinkfarbenen Bart.

„Am Montag haben wir Unterricht bei Elrond.“ sagte Dot furchtsam.

„Schlimmer als Sauron kann er auch nicht sein.“ antwortete Lina und warf der armen Jules einen Blick zu. Obwohl, irgendwie waren Bärte ja sexy- nein, nein, nein! Dies war ein „falscher“ Gedanke , dies war einfach verrückt. Nachwirkungen von Elbenwein, das war es.

„Ich weiß nicht. Ich habe gehört, in seinem Examen muss man eine Fanfiction auf Elbisch schreiben, ohne eine selbst ausgedachte Figur.“

„Aber das ist einfach falsch!“ erwiderte Lina entsetzt.

Die beiden bedachten diese Aussicht eine Weile stillschweigend und suchten nach Ideen für den Essay.

„Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer ist, böse zu denken. Es ist wie... ich dachte, man würde einfach böse sein, weißt du? Aber nein, man muss Pläne machen, wie man die Welt beherrscht, sich einen Ruf aufbauen, Günstlinge erschaffen und sichergehen, dass die Nummer Zwei einen nicht stürzt. Harte Arbeit, weißt du?“ beklagte sich Jo.

Lina bedachte sie mit einem säuerlichen Blick; sie hatte sich eine Nasenstüber eingehandelt, weil sie das Mädchen Johanna genannt hatte – manche Leute waren so empfindlich. Obwohl Morgoth ein Mädchen im Treppenhaus aufgehängt hatte, weil es ihn Mogoth nannte, also war ein Nasenstüber vielleicht nicht so schlimm. Und Georgia bestand darauf, Azuresage genannt zu werden – dachten diese Mädchen wirklich, coole Namen würden Legolas beeindrucken? Obwohl das ja vielleicht tatsächlich funktionierte...

Lina war ein dummer Name. Sie brauchte etwas Cooles, etwas... Elbisches. Wie Legolette, oder Lasana, oder... Sie begann zu grübeln und kritzelte müßig Namen auf den Essaybogen.

„Es sollte ein Gesetz dagegen geben, dass man am Wochenende Essays schreiben muss.“ beschwerte sich Dot.„Ich will nach Minas Tirith.“

Beide warfen sie Melilot einen garstigen Blick zu; sie hatte versucht, sich an dem Mini-Balrogs vorbei zu schleichen, indem sie sie mit Speck gefüttert hatte, damit sie in den Lehrkörper-Bereich kam und sich in Frodos Zimmer stehlen konnte. Unglücklicherweise hatte Miss Cam sie erwischt und sämtliche Wochenend-Privilegien gestrichen. Kein Ausflug nach Minas Tirith für irgend jemanden.

Lina fuhr damit fort, Namen niederzukritzeln. Legolana, Arwinia, Laslette, Lasir, Legir... Damit würde sie ihn sicher für sich gewinnen.

Ein Mädchen ging vorbei, das erstaunlich herausgeputzt aussah und einen ziemlich verbogenen Zweig sowie eine Art Bindfaden trug. Lia erkannte sie als Silver Rose wieder, die während des Festes versucht hatte, Legolas ein Ständchen zu bringen. Was hatte sie denn jetzt vor?

Besser, man behielt sie ihm Auge.

Wieder wurde es still, während jeder mit sich mit seinem Essay herumschlug, außer Lina, die einfach ihre Liste möglicher Namen fortsetzte. Wie wäre es mit Grünblume? Grünbaum? Plötzlich ertönte von draußen ein schmerzerfülltes Wutgeheul.

„AAAUUUUU!“

Jedermann drängelte zum Fenster, schaute hinaus und erblickte einen stinkwütenden Morgoth, der sich Silver Rose näherte, die ihrerseits aussah wie ein Hirsch beim starren Blick in eine Batterie Scheinwerfer. Von ihrer Hand baumelte ein Bogen, und in Morgoths Kehrseite steckte fein säuberlich ein Pfeil.

„Ich nehme an, sie wollte Legolas dazu bringen, ihr Bogenschießstunden zu erteilen.“ bemerkte Syndarys.

„DU WAGST ES, EINEN PFEIL AUF MICH ZU SCHIESSEN!“ Morgoth klang, als sei er hin- und hergerissen zwischen Wut und Unglauben.

„Ich... ich...“ stotterte das Mädchen.

Morgoth holte tief Luft, konzentrierte sich und plötzlich erschien ein riesiges Schwert in seiner Hand.

„Ich werde dich FRESSEN, du lausiges Geschöpf!“

„Das nennst du eine Waffe?“ kam Saurons Stimme, als der (andere) Dunkle Herrscher durch die Tür und hinaus auf den Rasen schlenderte. Morgoth wirbelte herum, Mordlust im Blick.

„Das ist eine Waffe!“ fügte Sauron hinzu und hob seine Keule.

„Du jämmerliche Entschuldigung für das Böse, ich werde dir eine Waffe zeigen...“ murmelte Morgoth, der plötzlich eine große Axt festhielt.

„Ha!“ spottete Sauron, dessen Keule zu einem Morgenstern wurde, jede Spitze geformt wie ein Schädel.

„Hahaa!“ konterte Morgoth, dessen Axt zweischneidig wurde, die Kante blutrot.

„Feigling!“

„Versager!“

„Weichlicher, schmuckbesessener Jammerlappen!“

„Geleehirniger Greis!“

„Du bist von einem Hobbit besiegt worden!“ schoss Morgoth zurück.

„Du kleiner...“

Keiner von den beiden Dunklen Herrschern bemerkte, wie Silver Rose sich still und heimlich davonmachte; die allererste, die einen Dunklen Herrscher in den Hintern schoss und überlebte, um davon zu erzählen.


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