Neun Diener (Nine)
von rabidsamfan, übersetzt von Cúthalion


Der Neunte und Letzte

Als er mir den Ring zum ersten Mal anbot, nahm ich ihn nicht.

Ich hatte keine Macht nötig: kein Nachbar versuchte, mir mein Königtum zu entreißen. Ich brauchte keine Zauberei, um meine Tage zu ermessen oder mein Reich zu regieren. Ich dachte, da sei kein Bedürfnis, das menschliche Stärke nicht befriedigen könnte. Ich war jung und stark; ich hatte mein Land und es blieb noch sehr viel Zeit für ein Weib und Erben.

Dann kam der Schmerz. Das zehrende Leiden hielt mich unbarmherzig im Griff. Ich ging zu Ihm und bat um Macht, aber die Wahrheit ist, dass ich nicht sterben wollte.


******


Der Achte

Hundert Jahre, um eine Stute zu finden, die zu dumm war, um sich in meiner Gegenwart in den Tod zu stürzen, und zehn Fohlen aus ihrem Bauch. Jahrhunderte, um die Herde heranzuzüchten, Stuten mit Hengsten zusammen zu bringen, ausgewählt nach wachsender Stärke und Klugheit. Ich stand bei jeder Geburt, ich lockte jedes zitternde Neugeborene, weich und beruhigend... ich füllte ihre Nüstern mit Leichenatem, bevor sie die lebendige Luft schmeckten. Tausend Jahre, um neuen Gefährten für unseren Weg zu erschaffen. Wieviele Meilen haben sie uns getragen – nur um zu sterben, da das Ende unseres Auftrages in Sicht war?

Der Fluss hat sich genommen, was von meinem Herzen übrig war.


*****


Der Siebte

Er sendet mich aus, meinen Verwandten zu schmeicheln und sie dazu anzuhalten, Mûmakil und Männer als Unterstützung für die kommenden Schlachten zu schicken, also gehe ich, wie es meine Pflicht ist. Die Wüste ist hell, aber bald erreiche ich dem Dschungel und die alten Pfade, die durch dauernde Mühe frei gehalten werden. Und ich reite in diesen grünen, heißen Schatten und erinnere mich an meine Heimat und an den Elfenbeinsessel, der mein Thron war. Ich erinnere mich an meine Söhne, groß und stark... ihr strahlendes Lächeln blitzte weiß in dunklen, schönen Gesichtern, als sie sich versammelten, um dem bleichen Fremdem ihren Respekt zu erweisen, der gekommen war, mir meinen Ring zu bringen.


*****


Der Sechste

Selbst Berge beginnen, einzustürzen, wenn man sie für mehr als ein Zeitalter der Welt beobachtet. Der Fluss hat neue Inseln und Kanäle aus dem Treibsand gebildet, der einst – weit stromaufwärts – Bauernland und Wald gewesen ist. Die Küstenlinie neigt sich, wo Klippen eingebrochen sind und Sandstrände haben sich in geheime Winkel ausgebreitet, die es nicht gab, als meine Untertanen entlang dieser Ufer fischten. Die Festung, die ich baute, ist in sich zusammengefallen, aber ich bleibe. Kein Stein, kein Geschöpf ist in diesen Landen geblieben, das den Mann, der ich einst war, vergleichen könnte mit dem, was ich jetzt bin.

Nur das Meer erinnert sich.


*****


Der Fünfte

Selbstverständlich hat es Vorteile, ein Ringgeist zu sein; sie wiegen die Ablenkungen auf, die unvermeidlich sind, wenn Er ruft. Glücklichweise habe ich die meisten meiner Schlüsse eher durch die Beobachtung der anderen gezogen als durch eigene Versuche. Manche Klingen können uns schaden, und Feuer verbrennt uns, aber wann ist dies jemals nicht wahr gewesen? Wir können nicht durch Mauern oder Menschen gehen, obwohl der Sprung von einer Klippe weniger gefährlich ist als vielmehr verstörend. Streng genommen sind wir nicht körperlos wie Geister, obwohl wir unsichtbar sind. Was nur gut ist, denn wer sonst könnte die Seiten meiner Bücher umblättern?


******


Der Vierte

Wenn man die Elben erzählen hört, dann gibt es nichts, das Menschen wussten, bauten oder gefertigt haben, ehe nicht irgendein langohriger Wichtigtuer sich herabließ, einzugreifen. Da ist keine Kunst, bei der sie uns den Vorrang gewähren – nicht Brauen oder Backen, Spinnen oder Weben. Wenn es nach ihnen geht, dann kamen selbst die Feldfrüchte und Obstgärten der Menschheit nur aus zweiter Hand zugute. Bevor die Elben erschienen, müssen wir nackt und hungrig gewesen und allein in der Finsternis herumgewandert sein - jedenfalls, wenn man den Elben glaubt.

Es hat Zeiten gegeben, als sich ein Elb in unsere Hände verirrt hat. Gute Zeiten. Es gibt auch Dinge, die ich den Elben beibringen kann.


*****


Der Dritte

Dies entschädigt für so vieles. Die widerspenstige Verdauung, die unheilbare Neigung, die Köpfe der Orks abzubeißen, die sich um sie kümmern sollten, die Federn, die an meinen Gewändern kleben, wenn sie sich mausern; all dies ist nichts verglichen mit dem Ausblick, den ich jetzt meistere. Die Berge liegen unter mir wie Kieselsteine.

Beinahe noch besser ist es, mein Reittier zu neigen und ohne Furcht zu fallen, hinabzutauchen, um über Bauernland und Festungen wieder aufzusteigen, während mein eigener Schatten über die in die Höhe gerichteten Gesichter der sich sammelnden Armeen hinweghuscht.

Ich kreische mein Entzücken hinaus und sehe die entsetzten Ameisen auseinanderstieben.

„Schaut mich an! Ich fliege!“


******


Der Zweite

Die Braunen Lande nennt man sie jetzt, aber ich erinnere mich daran, wie grün sie waren, als meine Armeen zuerst diese Straße entlang marschierten. Es gab viel zu verteilen, und manche der Bauern waren schnell bereit, im Austausch gegen die Dinge, die wir brauchten, unseren Schutz zu akzeptieren. Aber der Ungehorsam der anderen und der Widerstand, der von den Elben genährt wurde, waren wie eine nässende Wunde, und wir waren Stück für Stück dazu gezwungen, die Dörfler zu erschlagen und die Felder zu verbrennen, bis die Schlachten auf versalzener Erde geschlagen wurden.

Dieses Mal machen wir es besser, Dieses Mal werden wir sorgsam darauf achten, nicht die Felder zu verbrennen.


*****


Der Erste und Größte

„Sein Schicksal liegt weit von hier, und nicht durch die Hand eines lebenden Mannes wird er sterben.“ *
(Glorfindels Prophezeihung über den Tod des Hexenkönigs)

Es wäre von Vorteil, wenn ich genau wüsste, was es war, das der Elbenfürst sagte, als die Voraussicht ihn berührte in jener lang vergangenen Schlacht. Die Worte kamen in unterschiedlichem Gewand zu mir, und noch hat kein Kampf bewiesen, dass er sich irrt. Nun denn.. ich habe seit dem nur gegen lebende Menschen gefochten. Elben und Friedhöfe habe ich gemieden.

Doch während sie vor mir steht und ihr Schwert erhebt, als würde der Schrecken meiner Gegenwart sie nicht berühren, komme ich zwangsläufig ins Grübeln. Gab es in dieser Prophezeihung ein Adjektiv oder nicht? War es das Hauptwort, auf das es ankam? Ein großes M oder ein kleines...?


*Hier stellt uns das englische Original ein Bein, denn nur hier wird die Verwirrung des Hexenkönigs ganz verständlich. „... he will not die through the hand of a living man“ heißt, wörtlich übersetzt: „... durch die Hand eines lebenden Mannes.“ (was selbstverständlich der Grund war, weshalb Éowyn und Merry ihn gemeinsam töten konnten). Schreibt man das letzte Wort allerdings im Englischen mit einem großen M, dann heißt es plötzlich: „ durch die Hand eines lebenden Menschen.“ Kein Wunder, dass der Hexenkönig ins Grübeln geriet...


Top          Stories          Home