Mit verbundenen Augen (Blindfold)
von Singe Addams, übersetzt von Cúthalion

Schrecklich große und starke Hände führten Frodo diesen Weg entlang; manchmal stießen sie ihn, manchmal zerrten sie an ihm, und oft hoben sie ihn hoch in die Luft und über Hindernisse hinweg, die er nicht sehen konnte. Die selben Hände gaben ihm gelegentlich einen beruhigenden Klaps auf die Schulter, auf den Rücken, einmal sogar auf seinen Bauch. Frodo fühlte sich davon kaum ermutigt. Die schwarze Augenbinde bedeckte sein gesamtes schwitzendes Gesicht und er sehnte sich verzweifelt nach frischer Luft, aber er wagte nicht, seine gefesselten Hände zu heben und an dem Tuch zu ziehen. Er hörte einen Aufprall und ein schwaches, schmerzerfülltes „Ah!“ von Sam, der genauso gebunden war wie er. Frodo blieb erschrocken stehen.

„Ich bitte um Verzeihung, kleiner Herr.“ sagte eine tiefe, bedauernde Stimme hoch über ihren Köpfen. Frodo wandte sich in ihre Richtung, in Sams Richtung, von dem verzweifelten Wunsch erfüllt, etwas zu sehen. „Ich habe diese Wurzel nicht bemerkt.“

„Ich genauso wenig.“ nörgelte Sams gedämpfte Stimme, und Frodo hörte, wie der große Mensch Sam auf die Beine half und ihm den Staub abklopfte. Faramirs Männer waren keine schlechten Leute. Aber sie waren so... so schrecklich gefährlich...

„Ihr werde Euch ab jetzt besser führen.“ entschuldigte sich der Mann.

„Oh, ich bin schon in Ordnung. Ihr seid sowieso zu groß, um irgendwas auf dem Boden zu sehen.“ antwortete Sam und Frodo lächelte, unsichtbar hinter der Maske seiner Augenbinde. Lieber Sam, er verzieh so schnell... sein eigener Führer versetzte ihm einen Stoß und Frodo fing wieder an zu laufen. Ein vertrauter Geruch wehte zu ihm herüber, und er begriff überglücklich, dass sein Freund jetzt direkt neben ihm war. Sam spürte ihn offensichtlich auch, und sie versuchten, einander zu erreichen. Langsam gehend verschränkten sie ihre gebundenen Hände, so gut sie konnten. Frodo strich über Sams Fingerspitzen, spürte den Schmutz auf seiner Haut und die rissigen Nägel. Er versuchte, ihm so viel Trost zu geben wie möglich; ihm graute vor dem Augenblick, wo man sie unweigerlich wieder voneinander trennen würde. Wenn er nur etwas sehen könnte.

Plötzlich kam Frodo eine starke, willkommene Erinnerung und er zwickte Sam. „Ich glaube, ich kann dich erraten... ich glaube... bist du Rosie Kattun?“

Er wurde mit einem überraschten Keuchen und ersticktem Gelächter belohnt. „Oh, jetzt erkennst du Rosie? Tja, schon wieder falsch!“ sagte Sam, bevor raues Gelände sie erneut auseinander riss und die Männer ihre Gefangenen in die Höhe hoben. Frodos Finger waren wieder kalt. Müde, ängstlich und in einer dunklen Welt verloren, flüchtete er sich in die Erinnerung, mit der er Sam aufgezogen hatte... ein ganz anderer Ort... eine glücklichere Zeit... eine andere Augenbinde...

Tuks. Überall Tuks auf der Julfest in den Großen Smials. Tanzen, Trinken, Lachen, Trinken, Singen und noch mehr Trinken und Frodo steckte voller Begeisterung mitten im Gedränge. Die dämmerigen, leeren Tunnel von Beutelsend waren eine ferne, unbehagliche Erinnerung. Die hübsche Emmemine Tuk schlang die Arme um seinen Hals und pflanzte einen Kuss auf sein Kinn, aber sie tanzte davon, bevor er ihn erwidern konnte. Frodo griff ins Leere und ihm wurde bewusst, dass er mehr Brombeerwein intus hatte, als wirklich gut für ihn war. Aber er brauchte noch mehr davon, um die plötzliche Enttäuschung darin zu ertränken, und der Wein war so kühl, so dunkel und so köstlich. Wo hatte er dieses Weinfass zuletzt gesehen?

„Komm her, Frodo! Komm und spiel mit!“ Merrys willkommen heißende Stimme übertönte das Geschrei, das Gekicher, die Musik und das atemlose Geschwätz um ihn herum. Merry und wenigstens fünfzig angeheiterte Tuks, allesamt Freunde und Verwandte von Frodo, drängelten sich in einer Ecke der überfüllten Tanzfläche zusammen. Sie umringten einen einzelnen Plüschsessel und Merry hielt einen Streifen blauer Seide in den hoch erhobenen Händen. „Wir spielen Rate, wer ich bin!“

Frodo winkte ab. „Ohne mich!“ schrie er und fing an, sich durch die Menge in die entgegen gesetzte Richtung zu arbeiten.

Merry schrie: „Packt ihn!“ und Frodo fand sich zu seiner absoluten Verblüffung im Gewahrsam von Nick und Jolly Kattun wieder. Sie schleiften ihn zu der lachenden Menge zurück und schleuderten ihn in den Sessel. Die beiden waren große, untersetzte Hobbits, aber trotz all ihrer schlichten, bodenständigen Wasserauer Art waren sie inmitten dieses fröhlichen Durcheinanders kaum von ihren ausgelassenen Gastgebern zu unterscheiden.

Frodo starrte zu ihnen hoch, überrascht und gleichzeitig erfreut, dass die hart arbeitenden Brüder zu Gast im Smial seiner Verwandschaft waren und offenbar einen solchen Spaß hatten. „Was macht ihr beide denn hier?“

Nick umschlang ihn mit einem freundlichen Arm, lehnte sich reichlich dicht an ihn und nahm ihm fast die Sicht. „Wir sinn’ eingelad’n! Von Herrn Pipp’n! Den lie’m wer! Wir lie’m die Tuks! Unn’ dich lie’m wer auch!“ Er kippte nach vorne. Jolly packte ihn grinsend unter den Achseln und zerrte ihn aus dem Weg. Frodo erhob sich, aber sämtliche Zechgenossen drückten ihn wieder nach unten. Frodo jaulte auf, als er den kühlen Druck von Merrys Seidenband auf der Stirn spürte und schlug seinem Vetter auf die Hände.

„Hör auf damit! Ich bin zu alt für dieses Spiel! Merry! Ich bin zu alt!“ Frodo versuchte, sich aus dem Sessel zu kämpfen, aber er wurde entschieden wieder hineingedrängt.

„Oooooch!“ Merry heuchelte Mitgefühl und drückte spöttisch Frodos Kiefer zusammen. Er zog die Hand rechtzeitig zurück, bevor es Frodo gelang, ihn zu beißen. „Sieht Vetter Frodo für euch aus, als wäre er zu alt?“ fragte er seine jungen Freunde. Ein riesiger Chor von „NEIN!“-Stimmen erhob sich, beinahe laut genug, um die Tänzer, die zu einer alten, lebhaften Melodie herumwirbelten, mitsamt dem Stampfen ihrer Füße zu übertönen.

„Er ist kaum aus den Zwanzigern heraus, so, wie er aussieht!“

„Er ist noch ein BAAA – BYYY!“

„Ich bin fast fünfzig! Lasst mich aufstehen!“ Merry plumpste auf seinen Schoß und Frodo schleuderte ihn zu Boden.

„DU! Halt ihn unten!“ schrie Merry und starke Hände auf seinen Schultern setzten ihn nachdrücklich in den Sessel. Andere Hände kamen dazu, um ihn an seinem Platz zu halten. Dagegen anzukämpfen war sinnlos, und Merry rappelte sich auf, um die Seide über Frodos Augen zu legen. Sein gerötetes, grinsendes Gesicht verschwand wie abgeschnitten aus Frodos Blickfeld, und wenigstens dafür war er dankbar. Er schüttelte den Kopf in blinder Abscheu, gab auf und hielt endlich still. Eine seiner Wachen, die mit den unmöglich starken Händen, gab ihm einen um Entschuldigung bittenden Klaps.

„Ich bin zu alt. Ich bin zu alt für das hier...“ Merry rückte die Seide zurecht. „Lass den Blödsinn, Merry. Ich kann überhaupt nichts sehen. Aber das ist absolut unter meiner Würde!“

„Ach, hör auf, ich habe sagen hören, dass du ein Meister in diesem Spiel warst...“ Mädchengekicher kam aus der blauen Dunkelheit. Merry kletterte von seinem Schoß herunter und Frodo machte ein großes Theater daraus, seine Festhosen abzubürsten. Noch mehr Gekicher. Der viel-zu-alte Herr von Beutelsend saß jetzt still, er lächelte und wartete. Seine gute Laune war völlig wieder hergestellt, aber er hielt die Arme mürrisch verschränkt, um die anderen zu ärgern. „Wer kommt zuerst?“ rief Merry. Ein geflüstertes „Ich!“ drang an Frodos Ohr und er erkannte die Stimme wieder. Sein Lächeln drohte, sich in ein Grinsen zu verwandeln, aber er unterdrückte es gerade noch rechtzeitig. Es war nie gut, die Trümpfe, die man hatte, zu früh zu offenbaren. Er war wahrhaftig ein Meister in diesem Spiel. In diesem, und im Ringstechen, und im Schach. „Du?“ fragte Merry. „ Das bricht mir das Herz, aber meinetwegen... also, Frodo, rätst du, wer das ist? Und nicht anfassen!“ Frodo ließ seine Hände fest auf den Knien ruhen. Er hörte das Rascheln von Röcken... da war eine leichte Berührung auf seiner Schulter und ganz kurz der Geruch nach Bier und Zimt, bevor sich warme Lippen gegen seine pressten. Frodo erwiderte den Kuß mit einem kräftigen Schmatzer.

„Estella!“ rief er und Applaus erklang aus dem Kreis. Er konnte Juweline vor Lachen krähen hören über Estellas Bestürzung, und er fragte sich, ob das Tukmädchen aus dem Nordzweig der Familie wohl als Nächste an der Reihe war.

„Stel ist zu einfach.“ Merry ignorierte ihr empört geschrieenes „Bin ich nicht!“ Juli lachte wieder schallend. „Wer kommt jetzt?“ rief Merry, während Frodo versuchte, sich ins Gedächtnis zu rufen, wer sich alles in dem Kreis um ihn herum befand. Da waren Juweline, Estella, Jolly, Nick, Olly, Red, Chica, Lollo, Merry... Merry? Wo war Pippin? Plötzlich war da ein Geruch nach Äpfeln und Kuchen, und die Lippen seines Vetters wurde spielerisch auf seinen Mund gedrückt. Frodo zuckte zurück und wischte sich so theatralisch wie möglich mit dem Ärmel über das Gesicht.

„Uach! Pippin, das bist du!“ schrie Frodo. Er spürte, wie ihm Pippin für die Beleidigung eine Kopfnuss gab, und er hörte ihn lachen, während Merry ihn wegschleifte.

„Oh, Pip, bleib da weg, das ist mein voller Ernst! Und schau nicht so unschuldig, ich kenn dich!“ Merry trieb seine Vorstellung des eifersüchtigen Liebhabers auf die Spitze und wurde bejubelt. Frodo klatschte in die Hände und lachte. Das Tanzen wurde paradoxerweise noch lauter, jetzt, wo er es nicht mehr sehen konnte, und er merkte, dass er mit dem Fuß den Rhythmus klopfte. Die Welt war seidig blau, voller Musik und Gelächter, voll vom Geruch nach gutem Essen und Duftwässern. Solch ein Spaß! Er musste wirklich öfter zu den Großen Smials kommen. „Frodo braucht eine Herausforderung.“ entschied Merry und seine Stimme dämpfte sich zu einem Bühnenflüstern. „Bringt mir Topfs preisgekröntes Ferkel!“

„NEIN!“ brüllte Frodo. „NICHT SCHON WIEDER!“ Er kämpfte sich in geheucheltem Entsetzen auf die Beine.

„Haltet ihn!“ Die starken Hände auf seinen Schultern waren ebenso wieder da wie Merrys Kehrseite auf seinem Schoß und Frodos Gegenwehr war schnell beendet. Verschiedene Hände tätschelten ihn beruhigend, und er ließ sich „besänftigen“, während er sein Gelächter hinunterschluckte. „Bewacht ihn. Gebt sorgfältig auf ihn acht. Er hat eine Menge Tricks auf Lager.“ mahnte Merry und Starkhand packte ihn am Kragen und schüttelte ihn zu jedermanns größtem Vergnügen, um zu zeigen, dass diese Pflicht ernst genommen wurde.

„Ich hasse dieses Spiel!“ erklärte Frodo und schlug sich an die Brust. „Igitt!“ Jemand streichelte ihm freundschaftlich über das Haar und er gab der Berührung nach, um zu zeigen, dass sie ihm wohltat. Danach kamen die Hände seines Bewachers gemütlich auf seinen Schultern zur Ruhe.

„DU DA!“ kreischte Merry plötzlich. Frodo hörte das Rumsen auf dem Fußboden und fühlte die Erschütterung, während Merry auf- und niederhopste, um jemanden von weiter weg heranzurufen. „Du! Komm rüber! Wir spielen ein Spiel! Hast du schon mal... nein, nichts sagen, nur mit dem Kopf nicken. Wir wollen nicht, dass er dich hört. Hast du schon mal Rate, wer ich bin gespielt? Nein? Du küsst ihn und er muss rausfinden, wer du bist. Das ist alles. Er hat drei Versuche und keine Sorge, er kann dich nicht anfassen. In Ordnung? Oh, komm schon!“

Frodo neigte seinen Kopf in Richtung des Gesprächs. Dieses Spiel war im Brandyschloss und den Tukländern sehr beliebt. Wer war diese Person, die noch nie etwas davon gehört hatte? „Es ist nicht fair, jemanden auszusuchen, den ich nicht kenne, Merry!“

„Du kennst sie.“ versicherte Merry ihm. „Oder ihn, meine ich. Verdammt, jetzt ist es mir rausgerutscht!“ Pippin lachte ihn aus. „Also gut, es ist eine Sie, Frodo. Viel Glück - nicht, dass du welches nötig hättest!“ Frodo lachte, hob dem Kopf und widerstand dem lächerlichen Drang, seine Lippen zu spitzen. Er hatte ganz eindeutig zu viel Wein gehabt. Er spürte sanfte Finger auf seinem Kinn, die schnell wieder verschwanden. Wer immer sie war, sie zögerte noch.

„Los doch!“ drängelte Pippin. „Los doch! Er wird nicht zu arg beißen!“ Mehr Ermutigung und Beifall brandete aus dem Kreis auf. Sie kam dichter heran. Frodo spürte ihre Röcke über seine Hände gleiten, dort, wo sie auf seinen Knien ruhten.

„Das ist schon in Ordnung. Sie meinen es nicht böse.“ flüsterte er. „Und ich auch nicht. Du musst nicht mitspielen, wenn du nicht möchtest." Die sanften Finger waren wieder auf seinem Gesicht, und plötzlich empfand Frodo eine überraschend heftige Vorfreude. Sie beugte sich über ihn und er atmete tief. Er konnte das Heu riechen. Die Sonne. Der Kuss war kurz und zart. Warm. Keusch. Flüchtig und süß, wirklich, er spürte ihn kaum auf seinen Lippen. Er konnte Rosen riechen. Ein schwacher Geruch nach... Kattun? Er erstarrte. Rose Kattun. Oh, oh, oh, dies war Rosie! Sie zog sich zurück und Frodo schluckte vor Schreck. Rosie. Die lachende, warme, lebendige, wunderschöne Rosie. Was tat sie hier? Natürlich, natürlich, sie war mit ihren Brüdern gekommen. Frodo zuckte zusammen.

„Also, Frodo.“ fragte Merry. „Wer ist das?“

Sam und Rosie... sie sahen so schön aus miteinander. Sie beobachteten sich gegenseitig. Sie tändelten herum. Nicht mehr als das. Bis jetzt jedenfalls. Wo war Sam? War er daheim in Beutelsend und jätete Unkraut in seinem Garten? War er hier? Was würde er denken, wenn er dies hier mitbekam? Halt... er musste hier sein, irgendwo, Jolly und Nick waren seine besten Freunde, und sie würden ihn niemals zurücklassen, solange jemand für ein Weilchen seine Pflichten übernehmen konnte. Wäre Sam wütend auf ihn oder...

...oder würde er mitmachen?

Die Chance... ah... beide, Rosie und Sam, zu erraten? Nun, das wäre wundervoll, eine wundervolle Möglichkeit. Und es war ja nur ein Spiel. Nur ein Spiel. Rosie. Rosie Kattun. Frodo verlor die Kontrolle über seine Sprache. Er verlor die Kontrolle über sich selbst. Es war Jul, und es war ein Fest! Wem konnte es schaden? Wirklich. „Ich... ich weiß nicht, wer es ist.“

„Waaaas?“ Er konnte den Zweifel in Merrys Stimme hören. Frodo zuckte die Schultern.

„Ich weiß es nicht. Ich habe nicht die geringste Ahnung.“ Er versuchte, möglichst unschuldig zu klingen und mehrere Tuks lachten. Frodo schmunzelte. Bei drei Versuchen gehörte einer, der so offensichtlich fehlschlug, einfach mit zum Spiel. Ja doch. Ein guter, sauberer Spaß.

„Ach du liebe Güte.“ Merry übte sich in Sarkasmus und der Kreis jubelte erneut. Frodo konnte Jolly am lautesten von allen lachen hören und Nick, der endlich wieder zu sich gekommen war, bellte geradezu. „Du hast noch zwei Versuche, Vetter. Wie du sehr wohl weißt. AHEM! Meine Dame...?“Frodo spannte sich an. Dies war auch ein Teil des Spiels. Rosie war nicht dumm. Sie konnte ablehnen. Inzwischen wusste sie sicher, dass er Bescheid wusste. Und sie wusste, dass er wusste, das sie es wusste. Und er wusste, dass sie wusste, dass er...

Ihr jungfräulicher Mund lag wieder auf seinem, und seine Vernunft schwand dahin. Ooohhh ja. Rose. Starke, fast quälende Erinnerungen an vergangene Versuchungen regten sich unter der Oberfläche von Frodos verwirrtem Sinn. Rosie, die in seinem Garten in der Morgensonne zu ihm auflachte. Rosie, deren Hand auf seiner Schulter ruhte, während sie sich über sein Buch beugte und mit ihm darüber stritt, was die Figuren in der Geschichte wirklich vorhatten.

Frodo spürte, wie sie begann, sich zurückzuziehen. Also beugte er sich rasch vor und folgte ihrem Mund mit seinem eigenen, sanft, aber nachdrücklich. Nein, nein. Geh noch nicht weg. Ich muss dir danken. Ich muss es dir zeigen... und hier war eine weitere Erinnerung an Rosie. Als sie ihm ernsthaft mitteilte, dass sie ihn wundervoll fand, selbst wenn jedermann sonst ihn für einen etwas eigenartigen Bücherwurm hielt. Damals hatte sie ihn umarmt, und ihr Haar hatte nach Frühling geduftet, und ihr Körper...

Solch eine qualvolle Vielzahl von Gelegenheiten, bei denen er sich so schmerzhaft danach gesehnt hatte, sich vorzubeugen, diese kleine Entfernung zu überbrücken, genau das hier zu tun. Das hier zu fordern. Das hier zu geben. Das und das und das. Und sie erwiderte seinen Kuss, sie tat es wirklich, und ihre Münder öffneten sich, gerade weit genug, und sie tranken einander in sich hinein... oh... köstliche Hitze und Salz und Süße, Süße, Süße...

Seine Zunge presste sich gegen ihre Lippe und sie zuckte mit einem Aufkeuchen zurück. Oh nein, zu viel. Viel zu viel. War sie wütend? Hatte er sie angeekelt? Immerhin war er wirklich ein wenig seltsam; was das anging, machte er sich keinerlei Illusionen. Was empfand sie jetzt? Frodo spürte, wie die Hitze von Starkhand durch seine Weste und sein Hemd sickerte. Wenigstens wusste er nun, was sein Bewacher empfand. Schwacher Trost. Verdammte Augenbinde. Verdammter Merry, verdammte Tuks und Kattuns. Frodos Gesicht brannte, und er konnte nur hoffen, dass die Laternen und Fackeln nicht hell genug leuchteten, um ihn zu verraten. Musik, Gelächter, stampfende Füße. Oh. Das Julfest. Das war ja auch noch da.

Merry leider auch. „Schön! Schön! Oh, ich bin eifersüchtig!“ Der Kreis pflichtete ihm lachend bei. Schön. Einfach schön. „Wer ist es, Frodo?“

„Äh...“ Frodo begann einen Streit mich sich selbst. Rosies Wünsche waren nichts, wonach man sie einfach während der Teestunde fragen konnte. Das wäre wirklich komisch. Rosie, willst du Zucker oder Honig? Sahne? Und mich, willst du mich auch? Wenn er einen dritten Versuch forderte, und wenn sie das akzeptierte, dann fand sie ihn immerhin nicht allzu unangenehm. Warte. Rosie war seine Freundin. Warum tat er das? Deshalb. Weil es Rosie war. Und Frodo wollte, mehr als alles andere, er wollte mehr, und er wollte es jetzt. „Ich habe immer noch keine Ahnung, Merry.“ Jedermann johlte, pfiff und klatschte. Frodo brachte ein Lächeln und ein weiteres, hilfloses Schulterzucken zustande. Seine Handflächen schwitzten und er wischte sie klammheimlich ab, indem er seine Weste geradezog. Sie konnte immer noch ablehnen. Es war ein Spiel! Nur ein Spiel! Ein Spiel, über das man später lachen konnte. Ein Spiel, von dem er in diesen Nächten träumen konnte, in denen das Verlangen ihm so zusetzte, dass er sicher war, er würde noch vor dem nächsten Morgen verrückt. Schwach. Er war schwach.

Merry lachte. „Meine liebe Dame, es hängt ganz von dir ab. Ich persönlich glaube, Vetter Frodo ist ein Lügensack und gehört in den Straßengraben geworfen. Glaube ich wirklich.“ „Hört, Hört!“-Rufe antworteten ihm. Frodo segnete seinen Cousin. Jetzt hing es an Rosie. Ganz allein an Rosie. Egal, ob sie Ja oder Nein sagte, er würde in jedem Fall sterben.

„Ja...? Nein...? JA!“ johlte Merry. Frodo blieb das Herz stehen. Ja. Sie hatte Ja gesagt. „Dann mach es gut, diesmal!“ Sein Ruf wurde aufgenommen... mach es gut, mach es gut, mach es gut!

Frodo spürte sanfte Finger auf seinem Gesicht und holte tief Luft, als alles in seiner blauen Welt plötzlich wieder einen Sinn bekam. Rosie stupste leicht gegen seinen Mund und er lächelte, als sie eine zärtliche Fingerspitze über seine empfindliche Unterlippe gleiten ließ. Sämtliche Tuks brüllten zustimmend, und Merry, Pippin, Jolly und Nick gröhlten am lautesten. Ihre Hände verfingen sich in seinem Haar und Frodo lehnte seinen Kopf in die sachte Berührung hinein. Er spürte berauschende Schauder, die durch seinen gesamten Körper kreisten, während seine Vorfreude wuchs und das fröhliche Gekreisch aus der Menge immer lauter wurde. Sie würde es gut machen. „Das halt ich nicht aus! Küss ihn doch endlich!“ schrie Estella, während Frodo Mühe hatte, seine Hände unten zu halten. Nichtsdestotrotz erwischten seine verräterischen Finger den Stoff von Rosies Rock und hielten ihn fest. Dann wurde sein Mund attackiert und Frodo stöhnte.

Rosen, er roch Hitze und Rosen und er hatte, was er wollte, ihre Lippen, endlich, und da, ihre Zunge, und sie fand ihn ganz und gar nicht ekelhaft, kein bisschen, oh ja. Rosie war süß und warm und wundervoll willig, und wenn sie dachte, dass sie heute Nacht seinem Bett entkommen würde, dann musste sie verrückt sein. Er lehnte sich nach hinten, ein weiterer Kniff des Spieles, den er gut beherrschte, und sie gab nach und kletterte ihm praktisch auf den Schoß, und er vertiefte den Kuss noch, während er verbotenerweise die Hände hob und in ihren Haaren vergrub. Er nahm den Kreis von lauter Tuks kaum noch wahr, die einstimmig klatschten und stampften und ein ermutigendes Geheul anstimmten...

... bis Starkhand ihn zur Seite stieß und sie auseinanderriß. „Sam!“ schrie Rosie. „Nicht!“

Frodo schob die Augenbinde hoch und schaute blinzelnd nach oben. Starkhand war Sam. Er war hier. Und er war wütend. Oh nein. Nein. Sams Gesicht war gerötet und er hielt Frodos Kragen noch immer in einem tödlich festen Griff. „Das geht mir jetzt aber ein bisschen zu weit, Rosie!“

„Es ist ein Spiel!“ Sie kreischte beinahe und Frodo stand wieder auf den Beinen. Die Lichter und Farben waren schmerzhaft hell, sogar die eingestickten Blumen auf Rosies bestem Festkleid waren beinahe zuviel für seine Augen.

„Sam! Ich wollte nicht...“ Sam gab ihn frei und trat zurück, weg von ihm. Er schaute nicht auf, seine Augen klebten an Rosie, als würde Frodo nicht existieren. „Sam! Es war ein Spiel! Hör mir zu!“ drängte Frodo.

„Hmmmph. War es nich’, und ich weiß es.“ Sams Arme waren verschränkt, und jetzt sah er überhaupt niemanden mehr an. Frodo hätte sich am liebsten selbst umgebracht. Seine Lippen waren feucht und er wischte mit der Manschette seines Ärmels darüber.

„Du weißt gar nichts!“ Rosie hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt, und ihre Augen blitzten.

„Jetzt hört ihr mir mal beide zu!“ schrie Frodo. Die drei wurden plötzlich von allen Seiten umringt und mit aller Macht in verschiedene Richtungen gezerrt. Jolly und Nick hatten Frodo erneut im Griff und schafften ihn nach Osten, während Pippin, Estella und Juweline sich Rosie schnappten und sie nordwärts zogen. Sam verschwand in Richtung Westen, praktisch von einer Tukmenge hochgehoben und weggetragen.

„Er war wütend, Jolly. Das war er wirklich. Aber ich wusste es nicht! Ich hatte keine Ahnung, dass sie im Einvernehmen sind.“ murmelte Frodo. Nick bedachte ihn mit einer traurig-trunkenen Umarmung.

„Sie sind nicht im Einvernehmen.“ versicherte Jolly Frodo und klopfte ihm wiederholt auf den Rücken, als wäre ihm etwas im Hals steckengeblieben. „Sie schleichen schon ewig umeinander herum, aber keiner von beiden hat bis jetzt so was wie Ja oder Nein rausgebracht. Also, das jetzt hat sie wohl wachgerüttelt, nich’, Nick?“

Nick stimmte zu und schnappte plötzlich entsetzt nach Luft. „Du darfst Sam nich' feuern, er wollte dich gar nicht schlag'n!“

„Sam hat mich... er hat mich nicht geschlagen.“ Frodo fing an, seine Kleidung glattzuziehen, während sein Herz versuchte, sich einen Weg hinaus aus seiner Brust zu bahnen. Die Schultern seiner Weste waren feucht und zerknittert. „Zu alt. Ich bin zu alt für dies alles.“ Er wollte schreien. Er wollte hinaus aus diesem rauchigen Dunst und diesem Krach. Ein Schluckauf packte ihn.

„Hat er nich’? Was für’n Glück. Sam könnte dich in Stücke brech’n.“ entschied Nick und fiel schon wieder um. Jolly und Frodo ließen ihn einfach zu Boden plumpsen.

Merry platzte aus dem lärmenden Durcheinander heraus. Das Spiel ging, wie Frodo seltsam kühl feststellte, mit Emmemine auf dem Sessel weiter, und sie kicherte wie wild, während ihre Augen mit einem karierten Taschentuch verbunden wurden. Frodo entdeckte, dass er den blaue Seidenstreifen immer noch festhielt. Er stopfte ihn in die Hosentasche. Merry erreichte ihn und Jolly und stieg über Nick hinweg. Er sah bestürzt aus. „Frodo, ich wusste es nicht? Ich schwöre, ich wusste es nicht! Ich hätte mir nie träumen lassen, dass Sam eifersüchtig werden würde!“

„Niemand hat es gewusst.“ versicherte ihm Jolly. „Ich glaube nicht mal, dass die beiden es wirklich wussten.“ Frodo kam ein plötzlicher, grimmiger Gedanke. Hatte Rosie herumgespielt, um Sam wütend zu machen? Genau dort hatte er gestanden, während sich seine Finger in Frodos Schultern gruben...

„Herr Frodo!“ Plötzlich wurde Rosie von der Menge ausgespien, direkt hinein in seine Arme. Er starrte schockiert auf sie hinunter. „Estella Bolger hat gesagt, ich hätte es gemacht, um Sam zu provozieren, aber das hab ich nicht! Ich wollte es machen!“ Sie weinte.

„Ich hab dir gesagt, du sollst nicht auf Stel hören. Du weißt, was für ein Mundwerk sie hat.“ Juweline erschien und hielt sie fest. Juli war viel größer als Rosie, sogar größer als Frodo, aber sie hatte ordentlich zu kämpfen. Rosie zielte mit einem wütenden Schlag auf Merry, dem Ursprung all ihrer Schwierigkeiten, und er ging hinter Jolly in Deckung.

Frodo beeilte sich, sie zu beschwichtigen und griff nach ihren Händen. „Jetzt bitte, Rosie, reg dich nicht so auf. Alles ist bestens. Schließlich war es nur ein Spiel. Es hatte gar nichts zu bedeuten.“

Das schien Rosie zum Innehalten zu bringen, und sie blinzelte. „Bist du... bist du sicher?“

„Ganz sicher.“ log er und schenkte ihr sein freundlichstes Lächeln, während er sie losließ. Ihre Hände hingen für einen Moment in der Luft, bevor sie an ihren Seiten herunterfielen wie schwere Gewichte. Frodo zog seine Weste noch einmal mit einem sinnlosen Ruck glatt. Wenn er ihr jetzt direkt in die Augen schaute, war er verloren.

Dann nahm Rosie Julis Arm und zog sich zurück. „Also gut. Gut. In Ordnung. Dann ist ja alles bestens.“ Frodo konzentrierte sich auf ihr linkes Ohr und nickte verbindlich. Möglicherweise bildete er sich das nur ein, aber sie schien nicht beruhigt zu sein. Er dachte, dass sie wenigstens erleichtert wäre. Sie hatte aufgehört zu weinen. Plötzlich wirbelte Rosie herum, ging weg und zog das Tukmädchen aus dem Norden hinter sich her. Juli warf über ihre Schulter einen Blick in Richtung Frodo, den er nicht richtig deuten konnte.

Merry erschien wieder. „Ich werd mitgehen. Ich muss mal mit Stel über ihr Mundwerk reden.“ Er rannte davon, um sie einzuholen und streckte sich, damit er Juli den Arm um die Schultern legen konnte. Frodo seufzte.

Nick kam wieder zu sich und zog sich an Jolly hoch, um aufrecht zu stehen. „Oh oh.“ sagte er im Plauderton. „Schau mal.“

„Herr Frodo!“ Frodo drehte sich um und erschrak fürchterlich. Es war Sam, weniger als einen halben Meter weit weg, und drei Tuks hatten sich an ihn gehängt.

„Lauf, Frodo!“ japste einer von ihnen, aber Sam packte Frodo plötzlich an der Weste und gab ihn nicht mehr frei. Frodo verkrampfte sich, aber Sam ließ lediglich den Kopf hängen, sein gesamter Körper ein Abbild von Bedauern und Elend.

„Herr Frodo!“ Er schaute schuldbewusst hoch. „Es tut mir leid! Ich bin nicht durchgedreht. Es tut mir so schrecklich leid.“ Die Tuks entspannten sich und flankierten Sam, um ihre Unterstützung zu zeigen.

Frodo war erleichtert, und er gab seinem besten Freund einen Klaps auf die Schulter. „Du sollst dich nicht entschuldigen. Bitte. Es tut mir auch leid. Ich wusste es nicht.“

Sam schüttelte den Kopf, alles verwerfend, was Frodo sagen mochte. „Nein, du weißt es nicht. Ich meine... hör mal, ich... ich verspreche, ich werde nicht noch mal eifersüchtig. Ich wollte nicht...“ Sam errötete. „... allen den Spaß verderben. Bitte komm zum Spiel zurück.“

Frodo schaute Sam entsetzt an, die Augen weit aufgerissen. „Zum Spiel zurückkommen? Oh nein, Sam, ich glaube, ich hatte mehr als genug für eine Nacht... warte, das hat sich falsch angehört...“ Nick kicherte.

Sam holte tief Luft und schaute Frodo geradewegs in die Augen. „Bist du sicher, dass du genug hattest, Herr Frodo?“ fragte er und sein kleines Grüppchen von Tuks musterte Frodo scharf.

„Ich bin sicher, Sam. Es war bloß ein Spiel. Bloß ein Spiel.“ Frodo nickte ermutigend und wandte sich ab . „Und in meinem Alter war das mehr als genug Spaß für mich.“ Die Tuks waren enttäuscht, und alle drei warfen Sam mitfühlende Blicke zu und klopften ihm auf Arme und Schultern. Frodo wunderte sich, wieso. Und da dachten die Leute, er sei seltsam?

„Alles in Ordnung!“ versicherte Jolly jedermann ein bisschen zu laut und schubste Sam weg. „Komm schon, Nick, lass uns Sam ins Bett bringen, bevor wirklich noch was schief geht. Und dich auch, du beduselter Idiot.“

„Ich bin kein beduselter Idiot.“ protestierte Frodo schwach gegenüber niemand im Besonderen.

„Das ging doch an seinen Bruder.“ teilte Pippin ihm munter mit. Frodo drehte sich hastig zu seinem Vetter herum, ahnungslos, von wo er plötzlich aufgetaucht war. Die Leute kamen und gingen ziemlich schnell in den Großen Smials. Pippin schlang seinen Arm um Frodo und führte ihn in Richtung Tür. „Aber er hätte genauso gut mit dir reden können. Ihr seid Idioten. Ihr alle drei.“

„Ich habe es nicht so gemeint. “

„Und ob du das hast.“

„Also gut, ich habe es so gemeint. Und es war herrlich.“ Pippin grinste, aber Frodo seufzte. „Ooohh, Pip, was habe ich getan?“ stöhnte er und Pippin verstärkte seinen Griff.

„Nicht viel, mein Lieber. Nichts, worüber man später nicht lachen kann.“ Er legte seinen Kopf tröstend auf Frodos Schulter.

„Genau das befürchte ich.“


An diesem Tag, diesem furchteinflößenden, öden Tag begriff Frodo endlich, was er am meisten bedauerte. Nicht, dass er das Spiel gespielt hatte. Nicht, dass er mehr von Rosie gewollt hatte und gescheitert war. Nicht, dass er Sam wütend gemacht hatte. Nein. Er bedauerte, dass er weggerannt war. Er hatte flachgelegen, bis der folgende Morgen grausam hell heraufgedämmert war, und er hatte einen riesigen Kater gehabt. Frodo war aus einem Seitentor gekrochen und da waren sie, Sam und Rosie, sie wanderten Hand in Hand über ein sonnenhelles Feld, offenbar zuletzt doch noch im Einvernehmen. Frodo wollte sich ihnen so dringend anschließen. Er wollte... was? Ihre verschränkten Hände trennen und sich dazwischen drängen? Was für ein lächerlicher Einfall. Statt dessen kroch er wieder hinein und versuchte mit aller Kraft, seinen Groll niederzukämpfen. Was für ein Recht hatte er, eifersüchtig zu sein?

Das Spiel, und was die Leute davon noch in Erinnerung behielten, war tatsächlich schnell vergessen und obwohl Frodo, Sam und Rosie in den ersten Tagen sehr vorsichtig miteinander umgingen, erwähnten sie es nie wieder. Bis heute. Und Sam hatte gelacht.

Vielleicht war die Zeit, darüber zu reden, nun gekommen. Vielleicht würde Frodo Sam erzählen, dass er die feste Absicht gehabt hatte, Merry das blauseidene Taschentuch zurückzugeben, dass er es aber statt dessen in eine Schublade getan hatte. Vielleicht würde er Sam erzählen, dass er es manchmal, wenn die Nacht entsetzlich langsam vorbeitickte, herausholte und seinen Duft einatmete, in Erinnerung an Musik und Tanz und starke Hände auf seinen Schultern und warme Lippen auf den seinen. Er würde darauf beharren, dass das Spiel eine seiner großartigsten Erinnerungen war, immer noch klar und hell inmitten des Sumpfes, zu dem sein Geist geworden war. Vielleicht würden sie über Rosie reden und Frodo konnte sich endlich wirklich entschuldigen.

Vielleicht würde Sam nun erklären, was er mit seinem „Hattest du wirklich genug, Herr Frodo?“ gemeint hatte, falls es überhaupt etwas bedeuten sollte. Vielleicht konnten sie gemeinsam Rosies Worte durchgehen und einen tieferen Sinn darin finden. Obwohl „Ich wollte es machen!“ geradezu schmerzhaft direkt war, oder nicht?

Frodo schüttelte den Kopf. Vielleicht würde Faramir sie alle beide töten. Und Sam würde niemals wissen, niemals erraten, nie vermuten, wie viel er Frodo bedeutete. Keiner von ihnen würde jemals zu Rosie zurückkehren. Auch Rosie würde es niemals wissen. Ach, wenn Frodo nur noch eine Chance bekam, wenn Faramir sie am Leben ließ...

Narr. Er sah sich selbst aus der dämmerigen Sicherheit der Großen Smials hervorstürzen und hinter Sam und Rosie herjagen, die Hand in Hand in der Morgensonne über ihre Wiese gingen, während er schrie: „Wartet auf mich, bitte, wartet auf mich! Ich habe es nicht so gemeint!“

Warum verstand er auf einmal so viel? Warum brauchte es Krieg und Schmerz und Entsetzen, um ihm die Augen zu öffnen? Er liebte Sam. Er liebte Rosie. Und das war nicht unpassend oder lüstern. Es war einfach, was es war. Und Frodo hatte keine Kraft mehr, diese Erkenntnis zu verdrängen und nein, es war ganz und gar kein Spiel. Sam hatte die ganze Zeit über recht gehabt. Da war Leidenschaft und da war Liebe, hier, hier im Schatten. Diese Wahrheit gab ihm Hoffnung, während er durch das Land in die Dunkelheit stolperte.

Ein tiefer Seufzer des Bedauerns entfuhr ihm, und die raue Augenbinde verbreitete die Hitze seines Atems über sein Gesicht. Trotzdem fühlte er sich getröstet. Er konnte nichts sehen, aber wenigstens war er nicht länger blind.


ENDE


Top          Stories ab 18          Stories bis 18          Home