Fünf Dinge, die Faramir und Éowyn niemals zugestoßen sind
(Five things that never happened to Faramir and Éowyn)
von Altariel, übersetzt von Cúthalion

Eins

Aus dem dunklen Dunharg ritt Théoden mit sechstausend Speeren, hinein in Lied und Geschichte.

Aber die Pfade, die sie genommen hat, binden sie an Heim und Herd. Sie kann nicht im Stich lassen, was ihre Pflicht ist; sie kann dem vergoldeten Käfig ihrer Väter nicht entrinnen. Die Tage gehen dahin; sie sind dunkel, und sie erträgt jeden einzelnen davon, als wäre es ein Jahr. Kein Wort kommt aus dem Süden herauf. Und unter einem Himmel, der ihr scheint, als sei die Sonne daraus geraubt worden, um nie wiederzukehren, nimmt sie das Schwert, das für die Sehnen eines anderen bestimmt war und erschlägt sich statt dessen selbst.

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Zwei

Er folgt dem Traum nach Bruchtal; erst nimmt er die Straße nach Edoras, wo sie sich begegnen; und er stirbt auf der Fahrt, in Sichtweite seiner Heimat. Seine Gefährten verbrennen seinen Leib.

In den folgenden Jahren stellt sie fest, dass sie sich an dem Tag an ihn erinnert, wenn sie ihrer Gefallenen gedenken. Sie erinnert sich an die Wärme seiner Augen und die Freundlichkeit seines Lächelns; sie denkt daran, dass er nun niemals altern und verwittern wird. Sie hält die Erinnerung an ihn fest als an den ersten Lichtstrahl in der Dunkelheit; der Vorbote der glücklicheren Tage, die kommen sollten.

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Drei

Schön war sie; schöner als all die Blumen und Mädchen von Gondor, lieblich und segensreich; die Königin von Gondor. Ihr neues Volk liebt sie für ihren Heldenmut und ihre Ehre. Ihre Herrschaft ist lang und glorreich: der König bringt dem Land Heilung und der Weiße Baum blüht im Hof mit dem Springbrunnen.

Und immer steht er an ihrer beider Seite – getreu und liebend, ihr Diener. Es ist ein langes, gut gelebtes Leben. Als er stirbt, trauert die ganze Stadt; beide Königreiche beklagen den Verlust. Alles sprechen gut von ihm. Der Letzte seiner Linie. Der Letzte der Truchsessen von Gondor.

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Vier

Die Fahrt ist gescheitert. Der Schatten kommt, um sie für sich zu beanspruchen. Von der Höhe der Stadt beobachten sie den Angriff: sie sehen zu, wie die Dunkelheit noch näher kommt. Die Mauern brechen und Orks werden über die Ruinen ausgespien.

Er legt seine Arme um sie und hält sie an sich gedrückt. „Geliebte,“ sagt er. „meine Geliebte. Wie ich dich geliebt hätte.“

Sie kommt zu ihm und fordert den Kuss; der letzte Atemzug, bevor die Nacht sich alles nimmt. Ihre Lippen trennen sich, um nie wieder in diesem Leben aufeinander zu treffen.

„Du hast es schon getan.“ sagt sie ihm, und gemeinsam stellen sie sich zum Kampf.

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Fünf

Die Fahrt ist gescheitert. Der Schatten verschlingt das Land, aber er lässt sie am Leben. Ihr Ende ist langsam, die Qual langer Jahre. Er sieht mit an, wie ihre Augen sich trüben, wie ihre Haut rau wird, wie sich ihr Rücken unter der Last beugt.

Die Hoffnung hat sie verlassen; sie ging, um nie wiederzukehren. Der Himmel wurde schwarz, die Mauern fielen; alles, was grün war, ist verrottet und alles, was lieblich war, ist ruiniert. An traurigen Wassern beobachtet er sie, und in seinem Herzen bewahrt er die Erinnerung daran, wie sie hochgewachsen und schön und stolz auf den Mauern der lang dahingegangenen Stadt seiner Väter stand. Und noch immer bringt er es nicht fertig, zu verzweifeln.


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