Erinnerungen an Bell (Memories of Bell)
von Mews1945, übersetzt von Cúthalion
Letzte Tage
Vor ihrem Dahinscheiden war Sams Mutter eine lange Zeit krank, obwohl sie nicht viele Schmerzen litt. Doch sie war nicht stark genug, um noch länger die Hausarbeit zu erledigen, oder um mehr zu tun, als in ihrem Stuhl am Feuer zu sitzen. Während die Monate vergingen, wurde sie dünn und ihre Kleider zu groß, so dass sie aussah, wie ein kleines Mädchen, dass die Sachen seiner Mutter angezogen hatte. Ihr Haar wurde schneeweiß und verlor seine Locken, und Falten überzogen ihre Haut, doch ihre Augen blieben jung, und ihr Lächeln sorgte noch immer dafür, dass Krähenfüße sie umkräuselten.
Die Familie setzte ihr Tagewerk fort, aber der eine oder andere von ihnen war üblicherweise bei Bell, für den Fall, dass sie vielleicht irgend etwas brauchte. Margerite brachte den Flickkorb mit und ihre Nadel blitzte hell im Licht, während sie nähte. Marigold saß gerne zu Bells Füßen und spielte mit ihren Puppen. Und Sam brachte die Schnitzerei mit, an der er gerade arbeitete und saß im Armsessel des Ohm, während er mit Holz und Messer hantierte, um Wäscheklammern zu machen oder einen neuen Griff für ein Werkzeug.
Es war friedevoll dort in diesem kleinen Zimmer, mit seiner Mutter, die sich langsam in ihrem Stuhl schaukelte, die einst so emsigen Hände still im Schoß, den Blick von flackernden Feuer auf dem Kaminrost angezogen; doch immer und immer wieder wandte dieser Blick sich ihren Kindern oder ihrem Ehemann zu.
Egal, was sie trug, sie hüllte sich in ihr graues Tuch, denn ihr dünner Leib spürte die Kälte weit mehr als früher. Manchmal, an ihren guten Tagen, sang sie ein wenig. Das waren Sams liebste Momente, denn es war fast so, als hätte sie sich wieder in die Mutter zurück verwandelt, die er immer gekannt hatte, nur für eine kleine Weile.
Der Winter ging langsam vorbei, mit langen Regentagen, manchmal mit Frost, und einmal fielen ein paar Zentimeter flaumiger Schnee. Bell freute sich auf die Frühling, so wie immer. Doch eines Abends Anfang März schied sie dahin; sie glitt so sachte davon, dass Sam, der an ihrem Bett saß, eine ganze Zeitlang nicht merkte, dass sie ihren letzten Atemzug getan hatte.
Bevor sie sie in ihren schlichten Sarg legten, hüllten sie sie in ihr Umschlagtuch, so dass sie aussah, als würde sie nur schlafen. Als sie die Holzkiste in die Erde hinab ließen, hörte Sam, wie das erste Rotkehlchen des Frühlings seine Stimme erhob, und er wünschte sich, er könnte Bell singen hören, nur noch ein einziges Mal.
ENDE
Top Stories Home
|