Von Äpfeln, Nüssen und anderen Delikatessen
von Cúthalion

„Was um Himmels Willen ist das denn?” Sam starrte mit einer nervösen Mischung aus Abscheu und Misstrauen auf das nieder, was vor ihm auf dem Tisch lag. “Ist das eine Waffe? Es sieht aus wie ein orkischer Morgenstern ohne den Griff!”

„Ganz und gar nicht, Meister Perian!“ sagte der Koch; seine Stimme war ein freundlich amüsiertes Rumpeln aus einer gewaltigen Brust, die – wie sein wohl gerundeter Bauch – Zeugnis gab von der Tatsache, dass er seine eigene Küche sehr schätzte. „Es ist eine Frucht. Wenn Ihr die Schale entfernt, könnt ihr das Fleisch essen. Sehr süß und aromatisch.“

Um seine Worte zu beweisen, nahm er ein langes, scharfes Messer und schälte die Frucht in langen, dicken Streifen... tiefgelbes Fruchtfleisch erschien vor Sams faszinierten Augen. Zwei oder drei weitere Schnitte und der Koch reichte ihm eine große Scheibe.

„Versucht es!“

Sam nahm einen vorsichtigen Bissen und seine Augen wurden groß und rund; eine erstaunliche Geschmacksexplosion füllte ihm den Mund, süß und köstlich wie die besten Äpfel aus dem Garten auf dem Bühl, gemeinsam mit einer sanften Säure und einem Aroma, das ihn an Vanille erinnerte. Und Saft... so viel Saft, dass er nicht rechtzeitig schlucken konnte und zu seiner großen Verlegenheit merkte, dass er ihm aus den Mundwinkeln tropfte und über das Kinn lief.

Der Koch lachte und gab ihm eine großes Mundtuch.

„Gut, Herr Perian?“

„Wehr gug, wigwich,“ brachte Sam um seinen Mundvoll Fruchtfleisch hervor, dann schluckte er und wischte sich das Gesicht. „Wie nennt Ihr das?“

„Ananas.“ Der Koch lächelte und beugte sich zu einem Korb hinunter, der vor seinen Füßen stand. „Es kommt aus den südlichen Ländern – genauso wie das hier.“ Er legte ein großes, haariges, eiförmiges Objekt auf den Tisch.

„Die Wunder nehmen heute kein Ende“, murmelte Sam, den Geschmack der fremden Frucht noch immer auf der Zunge. „Wenn das letzte, was Ihr mir gegeben habt, ein Apfel war, was ist dann das – eine Nuss?“

Der Koch warf ihm einen verblüfften Blick zu.

„Ihr würdet es nicht glauben, Meister Perian, aber das ist tatsächlich eine Nuss. Eine Kokosnuss.“

„Na dann“, sagte Sam mit einem breiten Grinsen im Gesicht,. „Ich gäbe sonst was darum, den passenden Nussknacker zu sehen.“

Der Koch beugte sich wieder nach unten und holte aus einer großen Schublade unter dem Tisch einen eindrucksvollen Hammer und einen Meißel.

„Besondere Anlässe brauchen besondere Werkzeuge.“ sagte er, setzte den Meißel an und versetzte der Kokosnuss einen ersten, festen Schlag.

*****

„... sehr lecker, irgendwie nussig und süß, aber ihr würdet nicht glauben, wie das Ding aussah! Es hatte die Form von einem...“ Merrys Stimme wurde zu einem verschwörerischen Flüstern gedämpft. Ein verblüffter Augenblick der Stille und dann stieg gröhlendes Gelächter in Richtung der marmornen Zimmerdecke.

Sam schloss die Tür hinter sich.

„Auch fremde Früchte gekostet?“ wollte er wissen.

„Ja, wirklich, Sam. Es war ein gelbes... Ding, ein bisschen gekrümmt, mit glatter Schale. Sie nennen es Banane.“

„Warst du in der Palastküche, Herr Merry?“ fragte Sam. „Ich hab dich da gar nicht gesehen.“

„Nein“, erwiderte Merry, „in den Häusern der Heilung. Der Koch da ist viel großzügiger.“

„Pffffth.“ Pippin schnaubte. „Kein Wunder, es ist eine Frau. Eine halbe Stunde lang Merrys honigzüngige Schmeicheleien und sie ist Wachs in seinen Händen.“

„Ich bin neidisch.“ Frodo streckte sich unter seinen Decken und winkte Sam ungeduldig weg, als er zu dem großen Bett hinübereilte, um die riesigen Kissen aufzuschütteln. „Merry darf etwas essen, das eigenartig aussieht und lecker schmeckt“, - ein schnell unterdrücktes Kichern von seinem unverbesserlichen Vetter – „Pippin verschlingt eine ganze Traube Weinbeeren aus Dol Amroth, ohne mir wenigstens eine Handvoll zum Probieren übrig zu lassen“ – ein anklagender Blick in Richtung eines geheimnisvollerweise schrumpfenden Knappen von Gondor – „und was hast du völlig vergessen mir mitzubringen, Sam?“

Sam schaute unschuldig drein.

„Du solltest mich besser kennen, Herr Fr... Frodo.“ erwiderte er glatt; die Wirkung wurde nur von seiner dummen Zunge verdorben, die über die neue Art stolperte, jemanden anzureden, dem er jetzt seit fast dreißig Jahren diente. „Ich hab es hinter der Tür gelassen, und du solltest dir vielleicht Stich sichern, um den Inhalt von meinem kleinen Korb gegen diese bewunderungswürdigen und gierigen Hobbits zu schützen.“

Er ging schnell hinaus und kam mit einem kleinen Weidenkorb zurück; sorgsam stellte er zwei Tonschüsseln auf ein Holztablett neben dem hohen Nachttisch und bugsierte das Tablett auf Frodo’s Knie. Dann sah er zu, wie sein Herr und Freund die ersten Scheiben Ananas und sauber geschälte Kokosnuss kostete.

„Das ist... hmmmm... und das... hmmmm! Gute Güte, Sam, hast du die schon zusammen versucht?“ Frodo schloss völlig hingerissen die Augen. Aber sie waren nicht annähernd geschlossen genug, um die Hand zu ignorieren, die heimlich über die Decke schlich – und er verpasste ihr einen herzhaften Klaps.

„Merry!“

Sam versuchte, sein Lachen hinunterzuschlucken und antwortete ernsthaft: „Der Koch in der Palastküche hat mir erzählt, dass manche Männer den Saft der gelben Frucht – die Ananas – mit der Milch mischen, die man mitten in dieser weißen Nuss findet. Sie geben noch irgendwelchen starken Branntwein dazu. Er hat gesagt, dass man den Schnaps wegen des starken Aromas der Früchte kaum schmeckt. Muss ein ziemlich gefährliches Zeug sein.“

Frodo öffnete die Augen und sah sich um. Der Raum war erstaunlich leer – die Knappen von Rohan und Gondor waren wunderbarerweise verschwunden. Der Ringträger kratzte sich am Kopf. „Wo sind die denn hin?“ fragte er in sanfter Verwirrung.

Sam grinste.

„Auf die Suche gegangen nach dem gefährlichen Zeug, würde ich sagen“, erwiderte er. „Ich bezweifle, dass wir sie vor morgen früh wieder zu Gesicht kriegen. Und das gibt mir die Gelegenheit, den zweiten Korb zu holen – ich hab ihn hinter der Statue einer Dame versteckt, deren Kleider traurigerweise ziemlich... ähm... unvollständig sind. Aber sie hat sehr hübsche... ähm... Augen.“

„Oh, hat sie das?“ Sam stellte fest, dass sich sein Grinsen in Frodos Blick widerspiegelte. Für einen gesegneten Moment war die Erschöpfung dahin, und alles, was Sam sehen konnte, war die Freude und der Mutwillen eines jungen, gewitzten Hobbits, dem ein ausgeklügelter Streich geglückt war. „Und was hat du in dem zweiten Korb?“

„Oh, das ist einfach“, Sam lachte. „Da gibt’s Trauben aus Dol Amroth und Bananen, und ein braunes, zähes Zeug in einem kleinen Topf. Die essen das hier mit frischem Brot, und der Koch sagt, man nennt es Erdnussbutter.“

Frodo lehnte sich in die Kissen zurück und gab einen langen, zufriedenen Seufzer von sich.

„Dankeschön, Sam, vom Grunde meines Herzens“, sagte er. „Aber erzähl es nicht Aragorn, oder er wird mich mit irgend einem ekelhaften Tee traktieren, um mich vor Magenkrämpfen zu bewahren.“

Sam schnaubte.

„Der Gute“, murmelte er und fing an, die erste Banane zu schälen. „Er ist ein großer Krieger und ein sogar noch größerer König, aber von Hobbits hat er immer noch keine Ahnung.“

ENDE


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