Sub Luna
von Cúthalion


Kapitel 1:
Sonnenlicht

Sie geht an diesem sonnigen Sommernachmittag durch seine Wohnung und fühlt seine Gegenwart hinter sich wie einen warmen, zögernden Schatten. Über die letzten paar Monate hinweg hatte sie fast jegliche Hoffnung verloren, dass er sie jemals hierher bringen könnte, in seinen Zufluchtsort und sein Versteck… drei winzige Räume in einem Haus, das einmal herrschaftlich war, noch vor einer Generation. Jetzt ist es heruntergekommen und hätte einen Anstrich nötig, und es steht eingeklemmt zwischen einem indischen Supermarkt und einem Tätowierstudio in Bayswater.

„Tee?”  fragt er. Sie wendet sich ihm zu, die dunklen Augen leuchtend von den Gefühlen, die sie viel zu lange unterdrückt hat, und sie spürt, wie sich ihr Gesicht zu einem Lächeln entspannt.

„Den wirst du selbst kochen müssen,“ sagte sie. „Ich wäre dir keine große Hilfe… ich könnte die Kanne zerbrechen.“

„Aber so ungeschickt bist du doch gar nicht, oder?“ Er kommt näher; ihre Haut prickelt und erwartet eifrig seine Berührung, aber er macht keinen Versuch, den Abstand zwischen ihnen zu schließen… noch nicht.

„Du hast ja keine Ahnung.“ Tonks beißt sich auf die Unterlippe. „In meinem sechsten Jahr habe ich es fertig gebracht, Charlie Weasleys Kessel umzukippen, als er gerade versuchte, seinen Vielsafttrank ein letztes Mal umzurühren. Er war ritterlich genug zu behaupten, dass es seine Schuld war. Gryffindor hat an diesem Tag fünfzig Punkte verloren.“

Snape. Sie hat den Namen des Lehrers, der Charlie damals in dem kalten, übel riechenden Kerker gnadenlos und absichtlich falsch beurteilt hat, nicht erwähnt; das ist auch nicht nötig. Plötzlich schweben die hageren, bitteren Züge zwischen ihnen wie eine Art dunkler, schattenhafter Patronus, und Remus spürt es auch. Für einen Sekundenbruchteil flackert eine Stichflamme in seinen Augen und verwandelt das sanfte Braun in wildes Gelb… aber sie zuckt nicht zusammen. Sie hat ihre eigenen Dämonen, und sie weigert sich, vor den seinen zurück zu weichen.

„Fünfzig Punkte ist geradezu harmlos,“ bemerkt er; endlich streckt er die Hand aus und berührt sie beinahe scheu. „Die Rumtreiber haben weit Schlimmeres angestellt. Sie…“ Er bricht ab. Jede komische Anekdote, dazu gedacht, sie zu trösten, wird von dunkleren Erinnerungen vertrieben. James, Sirius, Peter und Remus. Zwei von ihnen tot, einer ein Verräter von epischen Ausmaßen, der letzte übrig geblieben, um sich zu erinnern. Tonks schaudert und spürt, wie ihr das Herz sinkt, trotz der warmen Hand auf ihrer Schulter. So viele mögliche Fehler. So viele Fallen, in die man hineinstolpern kann.

„Tonks?”

Sie blinzelt, und jetzt ist er wirklich ganz nahe; sie kann seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht fühlen und fragt sich plötzlich, wie um Himmels Willen er es eigentlich fertig bringt, dass ihr Name wie eine besänftigende Liebkosung klingt. Tonks, hat ein untersetzter Slytherin irgendwann während ihres sechsten Jahres gespottet, Tonks… erinnert mich an irgendwas, das in eine Pfütze plumpst. Fünf Jahre später vergeigte derselbe Slytherin zwei Versuche, das Tarnung und Maskierung-Examen zu bestehen, und sie nimmt an, dass er sie noch immer dafür hasst, dass sie keinerlei Probleme bei etwas hatte, was ihm nicht gelungen ist.

„Remus…”

Ihre Arme scheinen einen eigenen Willen zu haben… sie heben sich  und schlingen sich um seinen Hals. Sie staunt über die unvertraute, erregende Struktur seiner Haut und Haare, und einen Moment später fühlt sie, wie seine Finger durch ihr eigenes Haar gleiten und die glänzenden Strähnen mit den Fingerspitzen durchkämmen… eine zärtliche Antwort auf ihre erste, kühne Forschungsreise. Seine Lippen sind weich, ihre Berührung nicht leidenschaftlich und fordernd, sondern beinahe… dankbar.

Sie lächelt zu ihm auf, die Augen sanft. „Wie war das mit dem Tee?“


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